Woche 3

Mittwoch, der Elfte: Annalena

Heute machen die Grünen auf dem Schlossplatz eine Wahlkampfveranstaltung, bei der auch ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sprechen wird. Wir sind sehr früh da un erleben noch, wie Teile des Zauns aufgebaut werden und sich der Platz langsam füllt. Die Bühne für die Sprecher:innen ist eher wie eine Arena-Bühne gestaltet jedoch klar frontal ausgerichtet, es gibt vorne Kameras, die das Bild auf mehrere Bildschirme überträgt. Ganz vorne gibt es einen Ring mit Papphockern, wo angemeldete Gäste, aber auch die Sprecher:innen, Lokalparteigrößen sitzen. Wir stehen auch noch relativ weit vorne, Amanda reicht auch vorher eine Frage ein, sie wird nicht angenommen. Und als es dann noch die Möglichkeit gibt, spontane Fragen zu stellen, werden wir auch bewusst ignoriert. Wir vermuten, weil die Frage zur Kulturpolitik nicht zum Framing und Narrativ der Kanzlerkandidatin Baerbock passt, schade, wir wären sich nett gewesen.

Es sprach der OB-Kandidat für Oldenburg, der sich hauptsächlich für Altbauten und Fahrradverkehr interessiert, die Direktkandidatin mit viel Leidenschaft für den Klimaschutz und schließlich Annalena Baerbock:

Hallo
Hallo
Schönen guten Tag
Hallo Oldenburg
Nicht nur was für ein schöner Marktplatz sondern auch was für ein voller Marktplatz hier bei euch und
das zur Mittagszeit
ich freu mich wirklich sehr heute hier bei euch zu sein
vielleicht können wir einmal ein bisschen Rückkopplung
vom Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte etwas mit rausnehmen
aber eigentlich zeigt dieses Gebäude Landesmuseum für Kunst und kulturgeschichtlich
worum es bei diesen Kommunalwahlen
bei dieser Oberbürgermeisterwahl, dieser Bundestagswahl geht
nämlich unsere Geschichte als Gesellschaft als Land auf der wir stehen auf der meine Generation steht
mit dem großen Glück 40 Jahre lang in einem Land des Friedens der Freiheit des rechts und eine
gemeinsamen Europas aufgewachsen zu sein
diese Geschichte weiter zu schreiben
und zwar so weiter zu schreiben wie die europäische Union gewachsen ist
indem es Menschen gab die den Mut hatten zu sagen
wir verschaffen was neues
wir schaffen nach dem großen Desaster
nach dem großen leid was Deutschland über Europa gebracht hat was neues
wir bauen gemeinsam eine europäische Union
weil wir den Mut haben für Veränderung
weil wir den Mut haben für neue Ideen
weil Zukunft nicht einfach passiert
sondern weil wir Zukunft machen auf den Grundfesten unserer Geschichte uns gemeinsam zu erneuer
und darum gehts am 26. Septemeber
klatsch klatsch
und diese Erneuerung Daniel du hast es angesprochen, die ist ja überall spürbar,
die ist bei euch hier in der Stadt spürbar
und man denkt wir sind
jahrzehntelang so ganz gut gefahren hier so gemeinsam
aber jetzt beginnt ein neues Jahrzehnt
jetzt beginnt ein Jahrzehnt
wo wir mehr platz zum leben brauchen
wir haben das gespürt in den letzten anderthalb Jahren
ich glaube sie ihr, alle miteinander
was dies Gesellschaft was unser Land zusammenhält
dieses miteinander und füreinander einstehen
als man im harten corona lockdown
hier gibts viele ein und Zweifamilienhäuser
aber man hat damit auch viele gemerkt haben
meine 79 jährige Nachbarin die ist jetzt schon seit drei tagen nicht mehr rausgegangen
kann die eigentlich einkaufen gehen im lockdown
wo man als Studentin geklingelt hat und gesagt hat : ich kann doch ihre Einkäufe machen
jetzt wo sie vielleicht nicht sicher in den Supermarkt gehen können
das ist die stärke unserer Gesellschaft
das gemeinsame miteinander das an seinen Nachbarn denken
an seinen nächsten denken
und diesen Zusammenhalt zu wahren
nicht nur in einer Pandemie
sondern auch in Zukunft
auf jeden in unserem Land zu schauen
nicht nur die die die größten Lobbyismus hinter sich haben
sondern auf die die schwächsten in unsere Gesellschaft sind
auf die jüngsten auf die kleinsten
auch darum geht es bei dieser Bundestagswahl
klatsch klatsch
und natürlich passiert das nicht mit einem Fingeschnips
das ist ja das schöne an einer Demokratie
das ist auch das schöne
wenn wir in die welt hinausschauen
dass unsere Demokratie bedeutet
das beste ringen um gute antworten
um gut Lösungen
der Wettschreit um die besten Ideen zu sagen
wie können wir es denn dafür schaffen
dass wir wirklich auf die kleinsten schauen
wie können wir in einer Situation
wo wir wissen
wir sind eins der reichsten Industrieländer
und trotzdem lebt jedes fünfte Kind in Armut
und das bedeutet in eine Pandemie
dass manche Kinder am herunterschlicht nicht mehr richtig teil gehabt haben
und wie können wir jetzt dafür sorgen dass wir das in den nächsten Jahren besser machen
und unser vorschlage ist
klare Prioritäten zu setzen
klare Prioritäten dafür
wo der wohl stand unseres Landes prioritär mit hingeht
und das bedeutet
in die Kitas und die Grundschulen unser SaLandes
weil da erreichen wir jedes Kind
und jedes Kind zu erreichen das ist unsere Zukunftsaufgabe
klatsch klatsch
und dafür muss man Geld in die Hand nehmen
und weil es bei dieser Bundestagswahl um wo viel geht
sagen wir sehr klar und deutlich
ja deswegen müssen
wir bei denjenigen die ein Spitzeneinkommen und vermögen haben
die steuern ganz leicht erhöhen
man kann andere vorschlage haben und sagen
wir machen das in Zukunft anders
das gehört auch zur Demokratie dazu
aber was ich nicht akzeptiere
dass alle jetzt auf Wahlplakate darauf schreiben
für gute Kitas und schulen
für eine starke Gesundheitsversorgung
für Schwimmbäder die für alle offen sind
und wenn dann nach der Wahl die Situation da ist
wird gesagt
das Geld steht aber nicht zur Verfügung
weil zu einer ehrlichen Politik gehört
dann dazu
und das muss auch ein Bundesfinanzminister sagen
wenn er nicht bereit ist diese Investitionen in Zukunft zu stemmen
dann gehört dazu dass manche Kommunen ihre Schwimmbäder schließen müssen
dann gehört dazu dass
man den Kindern den man bessere schulen versprochen hat
weiterhin nicht nur keine Luftfiltern einbaut
sondern Warmwasser nicht funktioniert
und dann würde auch dazugehören
dass all diejenigen die wir in der Coronapandemie beklatscht haben
in den Krankenhäusern in den Pflegeeinrichtungen
keine bessere Arbeitssituation haben
und ich will das nicht
deswegen will ich das klar
dass wir
diejenigen die so viel leisten in unserem saland
für die kleinsten für die ältesten
für diejenigen die man umsorgen muss
das dahin auch eine prioriöt
in der Finanzpolitik gesetzt wird
weil darin entscheidet sich der Wohlstand unserer Gesellschaft
klatsch klatsch
und ähnlich ist es bei der großen frage des Klimaschutzes
eigentlich wissen wir das
susanne du hast es angesprochen
alles eigentlich seit dreißig Jahren
spätestens sollten wir es eigentlich wissen seit 5,5 Jahren
da hat die Weltgemeinschaft sich nämlich in Paris darauf verständigt
wir tun alles dafür diese Klimakrise noch irgendwie in den griff zu bekommen
und 5 Jahre lang
so klar muss man das sagen
ist sehr sehr wenig passiert
weil es von dieser Bundesregierung
von der Union der SPD immer hieß
ja Klimaschutz das ist auch wichtig
aber dann 2030 2040
wir erleben jetzt auf dramatische Art und Weise
dass die Klimakrise nichts in fernen Ländern ist
die das schon längst erlebt haben
der Süden Europa brennt gerade
im wahrsten Sinne des Wortes
wir haben vor einem Monat in Deutschland erlebt
was Sturzfluten bei uns anrichten können
nämlich alles zu zerstören was einem lieb und teuer ist
und wir sehen weltweit wenn wir nicht gemeinsam alles dafür tun
diese Klimakrise einzudämmen irgendwie halbwegs in den griff zu bekommen
dann gefährden wir nicht nur das Klima
dem Klima ist das im zweifel herzlich egal
wir gefährden unsere Freiheit und Sicherheit
und deswegen gehört Klimaschutz jetzt auf die Tagesordnung
und nicht erst 2030
klatsch klatsch
und Daniel
du hast es schon angesprochen
diese Haltung
naja da müssen wir aber gucken machen wir Klimaschutz oder sozial
oder sozial Gerechtigkeit
das ist doch kein Widerspruch
wenn man sich anschaut
wer leidet unter den Klimaauswirkungen am heftigsten
weltweit sind das die ärmsten
in dieser Welt
und auch bei uns
ich war in den Flutgebieten unterwegs
hab mit einigen Menschen gesprochen
am meisten hat mich eigentlich mitgenommen
eine Rentnerin die sagte mit tränen in den Augen
Frau Baerbock ich bin jetzt aus dem Urlaub wiedergekommen
weil mein Nachbar mich angerufen hat
mein Haus steht vollkommen unter Wasser
und jetzt gucken sie sich das mal an
wie soll ich denn da weiter wohnen können
und das war noch nicht mal das schlimmste
ihr Haus stand noch irgendwie
aber sie sagte
und wissen sie was
ich war ja versichert aber ich hatte schon mal nen Hochwasser
2018 hast mich schon mal getroffenund deswegen bin ich aus meiner Versicherung herausflogen
und solche Menschen können sich dann nicht einfach
neue Versicherungsprämien leisten die das 10fachekosten
nein Klimaschutz ist die soziale frage unserer
zeit
und wenn wir in Klimaschutz investieren
dann investieren wir in soziale Gerechtigkeit
klatsch klatsch
und das schöne ist
was sich seit diesen 5,5 Jahren Paris
getan hat
auch wenn die Politik
nicht auf der Höhe der zeit ist
dass es so viele Technologien gibt
ich war 2005 auf der Klim 2015 auf der Klimakonferenz
mit dabei
damals war ich klimapolitische Sprecherin meiner Bundestagsfraktion
und so eine Klimakomferenz das sind nicht nur
Politikerinnen und Politiker
das ist eigentlich wie so ne Weltmesse
da präsentieren sich Unternehmen
da präsemtieren sich
die Weltbank die sagt
was ist eigentlich Zukunfts äh politik
und da gab es diese heftige debatten
aber was bedeutet eigentlich Klimaneutralität
und alle haben gesagt eigentlich schaffen wir das gar nicht ohne
Technologiem wie Atomkraft
und eigentlich könne wir gar nicht sauber fliegen
aber was in diesen 5,5 Jahren passiert ist
ist
wir leben ja im Land der Ingenieure

der entwicklerinnen und entwickler das diejenigen unternehmen die noch vor ein paar jahren gesagt haben das geht nicht einem jetzt technologien zeigen, zu sagen, gucken se mal: so können wir klimaneutralen zement herstellen, gucken se mal: so können wir klimaneutrale synthetische kraftstoffe schaffen damit wir in zukunft die mobilität klimaneutral machen, das heißt: große teile der Wirtschaft sind viel weiter, als die derzeitige Bundesregeierung, und das müssen wir doch nutzen, wir haben die technologien unserer zeit ? und wenn ein solarprogramm dann kommt für jedes dach und da sieht man wie parteien den unterschied machen können ich kann verstehen, hier sind sicherlich auch einige, die sagen, bei den grünen passt mir auch nicht alles, geht mir wahrscheinlich auch so, wenn ich alle 132 seiten äh unseres wahlprogramms durchgelese, aber das ist ja Sinn von Demokratie, zu sagen, wo können wir Dinge noch ein kleines Stückchen besser machen, aber einfach nichts zu tun, zu sagen, stattdessen machen wir gar nichts, führt doch dazu, dass sich nichts verändert in unserem Land, dann kommt nicht ne Solaranlage einfach so durchs aufs Dach, sondern dafür braucht man gute Gesetze, und das hat Winfried Kretschmann gerade in Baden – Württemberg vorgemacht, wo er deutlich gemacht hat, wir als Grüne führen eine Landesregierung an, und zwar wir führen sie deutlich an und deswegen gibt es jetzt eine Solarpflicht für jedes Dach in Baden – Württemberg und das brauchen wir deutschlandweit auch hier in Oldenburg
und genauso können wir uns entscheiden unser Europa, wo Deutschland, zum Glück, mitten im Herzen drin liegt, unser Europa weiter zu bauen. In der Außenpolitik ist es vielleicht noch ein bisschen mehr so wie in der Innenpolitik, dass es schwierig ist Veränderungen alleine zu schaffen, weil man natürlich in einer EU der 27, andere europäische Staaten braucht, um gemainsam Veränderungen anzugehen. aber was für Deutschland gilt, gilt für Europa genauso, wenn wir diese Veränderung nicht versuchen, wenn wir nicht mit allem was wir haben dafür eintreten, an den Stellschrauben zu drehen sowoso viele Menschen wahrscheinlich auch von ihnen sagen: Mensch, da müssenwa doch noch n paar Dinge ändern, dann können wirs n Stückchen besser machen. Wenn wir nicht den Mut haben das anzugehen, dann füllen diese Lücken andere, und das sind autöritäre Kräfte, die in einem Wettstreit mit demokratischen Kräften stehen, nicht nur außerhalb von Europa, sondern auch im Herzen von Europa, und deswegen braucht Demokratieimmer den Mut derjenigen zu sagen wir wollen es in Zukunft einstimm – besser machen,
und das heißt auch nicht die augen vor der Realität zu verschließen, wenn es schwierig wird, dass was an den Außengrenzen Europas grade passiert, dass was gerade passiert, jetzt in Afghanistan, das Menschen, die als Dolmetscher, die als Ingenieure für natotruppen gearbeitet haben, die jetzt um ihr leben fürchten, weil klar ist sie werden ermordet werden, dass die die zusage denen die eigentlich die natoländer gemacht haben: wir unterstützen euch, weil ihr uns hier vor ort unterstützt habt, schützen wir euch. das es da keine klare zusage gibt, von der deutschen bundesregierung, von der europäischen union: wir holen euch aus dieser situation raus, dass ist aus meiner Sicht das Gegenteil von einem europa der gemeinsamen werte und das gilt umso mehr mit blick auf die situation in Griechenland, in Lesbos, wie vielen Städte, wie viele Kommunen haben gesagt: wir können davor die augen nicht verschließen, ja es ist so am schönsten wäre es wenn alle 27 Mitgliedstaaten eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik machen, aber offensichtlich hat das in den letzten Jahren nicht funktioniert und daher haben sich soe viele wahrscheinlich auch viele von ihnen und euch zusammengetan und gesagt: wir streiken für sichere Häfen, wir streiken dafür, zu sagen: wir haben platz, auch hier in Oldenburg, und das was im kleinen möglich ist, durch sie, durch euch, dass mus doch auch im innenministerium möglich sein, zu sagen, wir haben platz, und wir holen die menschen aus den Geflüchtetenlagern, aus Lesbos, heraus.
und das schöne ist wir könne uns allevier jahre neu entscheiden, welchen weg wollen wir einschlagen. ich glaube, unsere partei glaubt, das jetzt ein moment ist, da eintscheiden wir für vier jahre, welche mehrheiten sitzen im deutschen Bundestag, welche Kanzlerin oder welcher Kanzler vertritt Deutschland nach außen und nach Innen, aber eigentlich sind es jetzt keine Weichenstellungen für vier Jahre für eine Legislatur, sondern wir stellen jetzt die Weichen für das nächste Jahrzehnt, weil das nächste Jahrzehnt entscheidend ist, dass ist entscheidend ob wir den Weg der klimaneutralität wirklich beschreiten das hat uns der alte Sie Sieger uns nochmal ins Stammbuch geschrieben, diese Haltung, morgen ist auch noch ein tag, die funktioniert in manchen bereichen, aber sie funktioniert nicht für die kleinsten. wie alt bist du, hier vorne am zaun, wahrscheinlich 11, so, acht, oh du siehst schon so groß aus, und wenn wir noch n paar jahre warten, dann bist du 12 15, dann machst du ne Ausbildung, wir können nicht sagen, in ein paar jahren da werden die Schulen in unserem Land vielleicht mal ein bisschen besser, weil dann sind die kinder schon in der ausbildung, dann sind die kinde schon weiter im leben, nein wir müssen die weichen dafür jetzt stellen, weil es um unsere kinder geht, in den schulen und um die Zukunft, damit sie auch in 50 jahren, hier in oldenburg, in der mittags in der sonne noch nach draußen gehen können.
und all das können wir wählen, wir können wählen: haben wir den mut für veränderung, haben wir den mut fürs machen und ich bin überzeugt: wir haben nicht nur diesen mut, sondern es steckt alles in diesem land, es steckt alles in unseren steppen in unseren dörfern und in unseren landkreisen, gemeinsam dieses jahrzehnt zu einem klimagerechten jahrzehnt zu machen, auf dem der wohlstand der zukunft baut, und dafür brauchts aber nicht nur die grünen, dass ist das schöne in unsereer demokratie, dass es immer wieder auch andere gibt die mitgestalten können, dafür braucht es aber vor allen dingen ganz ganz viele, wie sie , wie euch, die zeigen, wie es vor ort schon geht, die vor dem september noch einmal bei der nachbarin klingeln, jetzt vielleicht keine einkäufe mehr, sondern, zu sagen: Mensch am 26.09 ist Bundestagswahlt, wollen wir nicht einmal gemeinsam beim Wahllokal vorbeigehen und gemeinsam wählen is ja eigentlich doch viel schöner, weil wir haben gesehen, bei den letzten wahlen, es kommt auf jede stimme an, diese bundestagswahl, ist so offen wie nie, in diese Wochen kann alles passieren, und dafür brauchen wir uns, dafür brauchen wir sie und ich glaube wir haben die Kraft als Gesellschaft uns gemeinsam zu erneuern und dafür treten wir an. Herzlichen Dank!

Forschungsansatz:

Wir überprüfen inwiefern unterschiedliche Mittel der Rhetorik Einfluss auf Inhalte bewirken, die einer klaren politischen Richtung zugeordnet sind. Wird Rhetorik stärker als Inhalt?
Das Modell von Prof Albert Mehrabian gibt vor, dass nur 7% der Kommunikation über den Inhalt gehen, 38% über Ton und Sprache. Dieser Verschiebung von Ton und Sprache. Dieser Verschiebung von Ton und Sprache bedienen wir uns.
Dabei nutzen wir einen Ausschnitt aus der Rede von Frau Baerbock. Beim Ausprobieren haben wir den Wunsch diese Übung auch mit einem Ausschnitt einer AFD Rede zu überprüfen.

Montag, der Sechzehnte: Aufbauten

Zum Wochenstart wollen wir heute mit unserer Mentorin Janette den ganzen Tag auf der Bühne proben und richtig in den Theatermodus kommen, den wir in den letzten Wochen auch oft bewusst verlassen haben. Wir haben mega Bock und beginnen damit kleinere Monologimpros, die durch bestimmte Triggersätze wie: Ich bin eine aufstrebende Künstler:in/ Ich bin so blöd / Ich bin reich, ausgelöst werden. Inhaltlich untersuchen wir hierbei die, die Selbstüberzeugung, Selbstradikalisierung, und Selbstanzweiflung, die oft im Zentrum von monologischen Dramaturgien stehen. Es geht uns heute aber auch insbesondere um die Form.

Wir probieren unterschiedliche gesammelte Monologe und Monologbruchstücke in verschiedenen Aufbauten mit wechselnden (Spiel)regeln aus. Dabei merken wir schnell, dass man als Einzelne:r im auf der Bühne ständig die Reibung den Kontakt zum Raum, zu den Gegenständen im Raum, aber auch zum Publikum sucht. Das Alleinesprechen für sich und andere fordert neben geschützter Aufmerksamkeit auch die eigene Bereitschaft ein, die Relevanz und Brillanz der Darbietung nicht immer auf die Goldwaage zu legen. Aufbauten, also abgesprochene und mehr oder weniger den Zuschauer:innen kommunizierte Systeme bieten Schutz, Anlass und Relevanz zugleich. Sie lösen die Was-Spannung, danach also was die monologisierende Person sagt auf in eine Wie-Spannung? Wie schnell kann man sprechen, mit welcher Haltung, wie spontan kann die gewechselt werden? Was ist, wenn mein Sprechen unterbrochen werden kann, wenn es ein “Preis” ist seinen Monolog halten zu dürfen und was macht das mit der Aufmerksamkeitsökonomie im Raum. Was ist wenn vermeintlich spontane oder authentisch entstehende Momente immer wieder reproduziert werden, was wenn das scheinbar auswendig gelernte plötzlich fragil wird?

Diesen Fragen sind wir in einem simplen Aufbau nachgegangen, bei dem wir mit den Stufen der Zuschauer:innentribühne als räumlicher Struktur gearbeitet haben. Den Stufen konnten dabei immer wieder unterschiedliche Regeln/Spielweisen/Aufgaben zugeschrieben werden, zudem ließen sie Wettbewerbselemente und Momente der geordneten Gleichzeitigkeit und des Collagierens zu. Denn oft merken wir, dass wir das Bedürfnis haben, Monologe nicht allein zu halten, oder zumindest die andere Figur, den anderen Menschen auf der Bühne als Anker, Widerstand oder Zeugen zu haben. Das gelingt nicht immer, manchmal wird die monologischen Situation so kaputt gemacht. Durch diese Forschung merken wir als Spielende und Zuschauende immer mehr, was das Monolohische an sich ausmacht, dass es viel weniger um konkrete Bedingungen und Definitionen geht, die diese Gattung, oder dieses Genre einschränken, als vielmehr um ein Gefühl der Raumerzeugung und Raumnahme, beim Produzieren und beim Rezipieren.


Dienstag der Siebzehnte, vormittags: Hund

Hundemonolog: Was ist warten sonst als Hoffnung

Ich warte hier so.

Ich so.

Und da geht die Tür auf, elektrisch.

Es riecht nach Bifi im Teigmantel.

Die Leine ist, die Leine ist, die Leine ist zu kurz.

Dreimal um den Fahrradständer. Mehr geht da nicht.

Bifi im Teigmantelgeruch!

Ich ziehe, ziehe, ziehe an der Leine.

Bringt nichts.

Streichle mich, streichle mich, streichle mich,

du da, du da mit der Tüte,

streichle mich!

Vielleicht bist dus ja. Oder? Du bist das doch, oder?

Oder nein.

Du bist das nicht. Du bist nur irgendwer. Irgendwer mit Tüte. Geh weg! Geh weg!

Ich geh hier nicht weg. Kann ich auch gar nicht.

Geh weg. Weg, weg, weg.

Ich lass dich nicht an dein Fahrrad. Ich lass dich nicht. Ich lass dich nicht.

Geh weg!

(Hund wird wütend)

(Hund wird müde)

Dann liege ich hier halt. Ich liege hier ganz ruhig. Guck, ich leg mich hin.

Dann nimm doch dein Fahrrad. Du bist eh niemand.

Dann geh doch weg, ist mir egal.

Ich warte weiter.

Einmal, da habe ich dich getroffen.

Du warst so… ich weiß nicht, wie soll ich sagen.

Du warst so… alles.

Die Menschen so: Oh, guck mal, die sind verliebt.

Und dann haben sie an deiner Leine gezogen und an meiner und weg warst du.

Jetzt lieg ich hier einfach.

Nee, jetzt steh ich nicht mehr auf. Auch nicht, wenn ich losgemacht werde und nach Haus soll.

Nein, hier ist gemütlich.

Mich holt eh niemand mehr.

Bin vergessen worden.

Hast du mich auch vergessen?

Hä´, vergessen? Mich?

Ich bin vergessen worden.

Ah jetzt riechts nach Chicken Nuggets.

Erfahrung zum Hundemonolog (von Marcel Jaqueline als Hund)

-Sprache als Hund = künstliche lesbare Kommunikation, die die Menschen verwirrt
-Situationen und Kontakt mit Anderen erforderte flexibleren Textumgang und Improvisation
(streichle mich, geh weg)
-Perspektive eines Hundes erweitert die Kommunikationsmittel
-öffentliche Raum als bewussten Spielraum zu nutzen verspricht Freiheit mit „echten“ Konsequenzen
-öffentlicher Raum zerstörte das „wir tun als ob“
-zweifelnde Theatermomente bei extremen Reaktionen (Menschen wollten mir helfen oder das

Filmen unterbinden und nach der Erklärung des Experiments oder spielerischer Kommunikation das das ein Spiel ist, kam es zu einer theatralen Reaktion von hä, warum und achso, und wir wurden akzeptiert als solches aber nicht mehr als das bin ich, der Hund)


Dienstag der Siebzehnte, nachmittags: Schlager

Wir forschen weiter an den Aufbauten des Vortages und denken leise bis laut über unser Making-Off nach, wir überlegen, wie sich unser LIeblingsraumaufbau nun auf eine praktische und künstlerisch spannende Zuschauer:innensituation auswirkt und welche Elemente, Forschungseinblicke wir gerne noch zeigen möchten und wie das gelingen kann. Uns beschäftigt an diesem Tag aber auch insbesondere ein Ohrwurm, der uns seit unserem Ausflug vor einer Woche in den Heidepark verfolgt. Marcel Jaqueline hatte dort nämlich beim Anstehen für eine Achterbahn plötzlich den Refrain von Boney Ms Klassiker By the rivers of Babylon umgedichtet und weil sogar Norman, der Techniker vom Theater Wrede den Ohrwurm davon nicht los wird, entscheiden wir uns diesem Impuls zu folgen und schreiben einen typischen Ballermann-Song mit queerer Konntotation. Auch eine besondere Form des Monologs merken wir bei unserer Recherche, als wir Helene Fischers und Mickie Krauses Texte analysieren und uns zum Vorbild nehmen. Süffige Bildbeschreibungen, der Versuch simplen emotionalen Pathos zu induzieren und teilweise Narration, die aber merklich noch bei viel Promille verständlich bleiben muss.

Am Abend brechen Amanda und Julian auf, weil sie am Mittowch jeweils in Frankfurt und Kassel wichtige Termine wahrnehmen müssen. Marcel Jaqueline und Sara arbeiten alleine weiter.