flausen.plus

08.05.2014

Seit fünf Tagen arbeite ich jetzt intensiv für mein Projekt. Langsam merke ich, wie ich anfange, mich in dem Material leichter zu bewegen. Es tat aber auch gut, zwischendurch einen Tag frei zu haben, bevor ich heute mit neuer Kraft einsteigen konnte.

Das Konditions- und Krafttraining fiel mir dann doch unerwartet schwer. Nach dem Studium der Videoaufnahmen des letzten Blockes hatte ich mir einige Arbeitsschwerpunkte gesetzt, um an meiner körperlichen Form zu arbeiten, was mich jedoch gefühlsmäßig eher zurückwarf, z.B. im Gleichgewicht der seitlichen Tritte. Doch es ist im Verlauf eines Lernprozesses wohl unvermeidlich, das Pendeln: zwischen gesteigerter Sicherheit oder Gewissheit und erneuter Verunsicherung hin und her zu schwingen. Meine Punches waren gezielter und entwickeln sich zunehmend in Richtung Kampf, weg vom Sport. Das finde ich gut. Nach dem Training nehme ich mittlerweile, wie von Breivik empfohlen, Eiweißpulver als Drink zum Muskelaufbau ein. Danach schoss ich heute ich, wie ich aus seinem Manifest gelernt habe, ein Foto für PR-Zwecke.

Später vertiefte ich meine Untersuchungen zum muskulär gepanzerten Körper. Es gelingt mir, mit konkreten bildlichen Vorstellungen den “Panzer“ vom Boden aus auf- und umgekehrt wieder abzubauen. Zusätzliche „Waffen“ (Stäbe/Stöcke) helfen bei der Spannung. Außerdem habe ich festgestellt, dass der voll gepanzerte Körper handlungsunfähig ist und eher komisch/lächerlich wirkt. Was hilft, ist die Vorstellung von einer „animalischen Bereitschaftsspannung“. Sie drückt sich über eine Art „Vorkontraktion“ aus, die zugleich potentielle Stärke und Reaktionsfähigkeit vermittelt. Zwischendurch noch mit dem digitalen Körper experimentiert und beobachtet, wie seine Bewegungen intentionslos aus dem Zentrum heraus gesteuert sind. Gar nicht einfach, das zu imitieren.

Nach der Mittagspause Breiviks Stellungnahme vor Gericht studiert. Es ist erstaunlich und fast komisch, zwischen Breiviks Äußerungen über seinen Kampf gegen die Islamisierung und das lange Versagen der Regierungen Europas immer wieder die gestelzte Sprache der Gerichtsbarkeit zu lesen. Ich beginne, eine Empathie für die Opfer zu entwickeln. Darauf sollte ich weiter achtgeben. Es hält mich in der Arbeit auf. Danach noch einmal Breininger und die Islamisten genauer durchgearbeitet und entsprechendes Youtube-Material geschaut. Erstaunt über die Kompromisslosigkeit in Verbindung mit der z.T. poetischen Sprache.

Nach Computerproblemen versucht, erstes Material mit dem Google-Übersetzer zu bearbeiten. Das dauerte alles länger als geplant! Brauche dringend einen hochwertigen Übersetzer! Außerdem muss das Material reduziert werden. Hier hilft hoffentlich sprecherische Praxis. Zum Abschluss des Arbeitstages erste zaghafte Sprechversuche. Hier ist mir in puncto Haltung, gestische Zugriffe und verfremdende Mittel noch einiges unklar. Es ist gar nicht so einfach, sich für alle technischen Versuch offen zu halten. Die eigene Unsicherheit und Eitelkeit steht mir im Weg. Ich werde dieser Aufgabe morgen den ganzen zweiten Arbeitsteil widmen.

09.05.2014
Das Körpertraining heute ist routinierter und nicht mehr so anstrengend. Mit meinen „Baustellen“ komme ich aber nur wenig voran. Stabiles Zentrum, Seitwärtskicks, Kraftentladungen. Zum Ende lässt die Konzentration nach. Ich verliere Koordination und Schlagkraft. Muss wacher sein und gleichzeitig durchlässiger/präziser. Danach beginne ich mit der Imitation digitaler Sprache. Ich höre computergenerierte männliche und weibliche Stimmen und versuche diese nachzuahmen. Ich bin aber in Artikulation und Sprachrhythmus viel zu schnell. Mit meinen normalen Mitteln kann ich die Sprachmelodie nicht kopieren. Alles wirkt dann überbetont, eben nicht intentionslos, wie die virtuellen Stimmen. Bin mir nicht sicher, ob ich mir über Nachsprechen diese Sprechtechnik so aneignen kann, das ich sie später gezielt einzusetzen in der Lage bin. Später am Tag bei der Textarbeit gelingt das jedenfalls nicht. Ich versuche verschiedene Texte laut zu lesen. Dabei finde ich für die Exzerpte aus dem PI-Forum keine passende Form. Stelle fest, dass sie auf keine Fall in einer denunzierenden Art und Weise bearbeitet werden dürfen. Werde morgen versuchen mich mehr mit dem veröffentlichenden „Forensprechen“ zu beschäftigen. Abend-Input: Theweleits Vortrag über Breivik im Speziellen und den faschistischen Männerkörper im Besonderen. Sehr interessant!

10.05.2014
Das Projekt entwickelt sich und ich werde immer mehr mit meine Schwächen konfrontiert <3 ! Das Training erschien mir heute sehr anstrengend. Der Proteindrink danach schmeckt inzwischen auch überhaupt nicht mehr lecker. Aber das ist das Leben eines Kämpfers. LOL! Die Auswertung der gestern eingesprochenen virtuellen Stimmen ergibt, wie erwartet, dass noch viel Arbeit vor mir liegt. Es ist mir auch schwer möglich meinen eigene Bewertungsapperat zu kontrollieren, abzustellen oder zu parken. Naja, durch die Arbeit werde ich mir seiner Existenz sogar in der Sprache jedenfalls bewusst. Werde mehr mit dem virtuellen Körper und der synthetischen Stimme zusammen probieren. Später Besprechung mit Winfried Wrede und meiner Mentorin Annett. Das Gespräch bewegt sich durch unterschiedliche Bereiche meiner Arbeit und bringt zahlreiche neue Denkanstöße. Anfangs fühlte sich das etwas hölzern und angespannt an, weil ich mich auf einmal erklären sollte, wo ich doch ein Macher bin. Doch in Bezug auf meine Arbeitsstruktur war es gut, noch einmal die Arbeitsweise, die Inhalte und mein Vorhaben als Ganzes zu reflektieren. Das schafft Ordnung in meinen Arbeitswust. Das Einzelgespräch mit Annett im Anschluss an den Arbeitstag drehte sich dann vor allem um Textauswahl und Inhalte.

Ich untersuchte vorher, wie geplant, die PI-Texte mit veröffentlichendem Gestus. Zur Übung versuchte ich, jedes Wort für sich zu lesen, es wie neu eben in die Tastatur getippt zu betrachten, mich nicht auf fertige Satzgefüge zu konzentrieren. Während ich diese Worte jetzt gerade in den Computer tippe fällt mir auf, das das beim Schreiben irgendwie ähnlich aber doch ganz anders strukturiert ist. Ich weiß vorher, was ich sagen will. Ich weiß aber noch nicht wie. Welche Worte genau ich benutzen will, eine grammatische Struktur und eventuell ein Rhythmus (meine Hände zögern, während ich das schreibe) scheinen mir schon vorher angelegt. Wir hatten im gespräch vorher auch darüber gesprochen, dass sich Mitteilungen in direkter menschliches Kommunikation körperlich übermitteln, bevor sie sprachlich formuliert sind. Darüber muss ich mehr nachdenken. Denke ich getippte Sprache wie gesprochene? Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen der „Verfertigung der Gedanken“ während der Rede und während des Schreibens?

Doch zurück zum Arbeitstag. Bei den durch Google übersetzten Breivik-Texten funktioniert die veröffentlichende Sprache nicht, da durch die Übersetzung viel an Satzbau und Struktur verloren gegangen ist. Der Sinn (oder nur die potentielle Sinnhaftigkeit?) muss also quasi „vorgefertigt“ vom Sprechenden mitgeliefert werden. „Make sense“, wie die US-Amerikaner sagen. Morgen werde ich Breiviks Verteidigungsrede deswegen in „normaler“, also nicht computerübersetzter Sprache lesen. Ich bin gespannt, welche Mittel ich dafür brauche.

11.05.2014
Nach dem fruchtbaren Mentoring gestern und den heutigen Versuchen mit Körper, Gesang und Sprache zeichnet sich langsam eine Leitfrage ab, anhand derer sich die nächsten Blöcke präzisieren lassen könnten. Bei all meinen Versuchen geht es um Strukturen und Formen. Das an sich ist bei künstlerischer Arbeit eine Binsenweisheit, aber was in der sprachlichen Ausstellung von PI-Sprache, den verschiedenen Körperformen oder dem Pop von “Saga“ jeweils anders wichtig ist, ist das Verhältnis von Gehalt, Botschaft oder politischer Position und Form. Das kann natürlich auch ein Missverhältnis sein. Ich vermute, gerade solch ein Missverhältnis lässt das Politische erkennbar werden. Hier sehe ich die Brücke zum Theater/Performance-Ding: So wie Saga soften Pop mit Nazitexten machen kann, um politisch in den Mainstream zu wirken, und Sarrazin den Bestseller schreibt, müsste ich doch aus all dem politisch positionierten Material eine Performance machen können, die all das aufweist – formal –, was zu einer “Mainstream“-Performance mit Unterhaltungswert dazu gehört. Das Singen ist dafür ein wichtiges Element, ebenso wie die verschiedenen Körperformen, die gegenüber dem Sprachmaterial und der Aufführungssituation gerade dann verfremdend wirken, wenn sei „unbegründet“ oder nebenbei eingesetzt werden, also nicht in einem explizit erzählerischem Rahmen.

Was sonst im Prozess heute passiert ist? Ich habe an allem weitergearbeitet. Neu war das Liedmaterial: ein Song der schwedischen Sängerin Saga (Breiviks Lieblingslied aus ihrem Repertoire) und ein Naschid von Abu Maliq. Abends habe ich mir die aufgenommene Körperarbeit angesehen. Ich habe Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viel zu tun! Jetzt bin ich nach diesem vollen Arbeitsblock sehr erschöpft und will den freien Tag zum Ausruhen und Weiterdenken verwenden.