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Logbuch Woche 2

Weiterbacken. Weitermachen. Wir brauchen mehr Teig. Wir brauchen mehr Masse. Wir brauchen baufähiges Material. Bauen mit Teig ist schwieriger als gedacht. Ist er zu hart und dünn, kann man ihn nicht mehr kleben, ist er zu weich, fällt alles auseinander. Egal, weitermachen, ausprobieren, anderer Teig. Der Theatersaal verwandelt sich in eine Backstube.

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Eins ist klar: Zum Backen werden nur Bio-Eier gekauft, zu viele Dokus über schlecht behandelte und massengezüchtete Hühner gesehen… Luxusprobleme? Waschen wir uns so von unseren Sünden frei? Wie war das nochmal mit dem Ablasshandel?

Ähnliche Gedanken bei der Abholung zwei riesengroßer Kartons übriggebliebener Brötchen einer Bonner Bäckerei. Mit diesen Brötchen wollen wir Kunst machen. Brotpuppen, Brotlandschaften, Brot, Brot, Brot… Dennoch ist es fast nicht zu ertragen, dass man gleichzeitig weiß, normalerweise wird das alles weggeschmissen.

Lesen von Texten: Derrida, Mauss, Baudrillard, Baudelaire, Welthungerhilfe, Dambisa Moyo, Thilo Bode, Wolfgang Ullrich,…

Sind wir jetzt schlauer? Vieles haben wir schon mal gehört… vielleicht nicht so detailliert, aber dennoch kennen wir alle den teuflischen Kreislauf der Welt, der am Ende alle Probleme im Hunger zusammenführt: Exportinteressen der ersten Welt, Kriege überall, Abkommen wie das TTIP oder CETA, Korruption, 1+1=jeder macht seins. Und trotzdem rühmt man sich mit großen Summen für die Entwicklungshilfe.

Ein Gedanke, der uns interessant erscheint, ist das Motiv der „Gabe“. Gibt es sie überhaupt? Laut Derrida gibt es sie in einem Kreis der Ökonomie nur, wenn beide Seiten – also Geber und Empfänger – eigentlich nichts von der Gabe wissen. Sobald auch nur eine Seite weiß, dass sie z.B. „etwas Gutes getan hat“, befindet man sich im ökonomischen Kreis, der in erster Linie über Tausch definiert wird. In dem Moment, wo ich eine gute Tat vollführe, will ich unbewusst auch eine Gegenleistung, wie auch immer diese aussieht.

Gegen Ende der Woche ein neuer Input:

Erster Puppenworkshop mit Paulo Duarte. Eintreten in eine neue Welt der Objekte.

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Hier ist man ganz konzentriert und fokussiert auf das Objekt. Das einzige, was heute zählt, ist, ein Objekt zum Leben zu erwecken. Langsamkeit, Konzentration, Geduld.

Close – up:

Das Denken verändert sich.

Welche Materialität hat das Objekt? Welche Bewegungsmöglichkeiten hat es und damit Ausdrucksmöglichkeiten?

Der Animateur muss von sich absehen, sich nicht als Subjekt innerhalb der Beziehung zu dem Objekt denken.

Es geht darum, dass Objekt als Subjekt zu denken.

Wir üben uns im Verschwinden, im Zurück-Treten hinter das Ding.

Übungen mit verschiedene Puppentypen, mit Äpfeln und mit Stöcken, um Techniken kennenzulernen, bei denen es um Bewegungsqualitäten der Objekte aber auch der Animateure geht. Übungen im Unsichtbarwerden.

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Am Ende der Woche bauen wir zusammen unsere erste eigene Brotpuppe unter professioneller Anleitung. Gar nicht so einfach, aber nach getaner Arbeit sind wir stolz. Ein haptisches Resultat. Konkret, sinnlich, anfassbar. An Schnüren hängt unser neue Kollege in den Gerüststangen. Wie lange wird er überleben? Sicher vor Mäusen und Schimmelgefahr? Sollten wir einen Abdruck der Marionette machen oder geht es gerade um die Vergänglichkeit des Materials?

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