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Tag 14 – 2.4.2012

Und plötzlich kommt die Praxis durch die Hintertür…
Bevor wir unser Tagesritual „Morgens-Spiel“ starten, referiert Eva kurz über einen Zeitungsartikel über die Möglichkeiten die Erinnerung zu löschen. Dabei handelt es sich um ein entdecktes Protein, welches glückliche Gefühle auslöst und gleichzeitig eine Art Verknüpfung aufheben kann. Das heißt, schlechte Erinnerungen werden durch die Einnahme dieses Proteins überschrieben, das Ereignis ist nicht mehr mit dem schlechte Gefühl verknüpft. Das schlechte Gefühl, teilweise sogar der Auslöser selbst kann vergessen werden. Noch ist das Protein nur an Mäusen getestet und für Menschen noch verboten. Auch wenn es harmlos klingt, werden im Artikel viele ethische Fragen aufgemacht. Vermissen wir die Erinnerung? Oder vermissen wir etwas, wissen aber nicht was? Macht es uns also wirklich glücklicher?

Danach starten mit einem „Partyspiel“ in die neue Woche. Dazu braucht man: 2 Teelichter, 2 Streichholzschachteln und 8 Butterkekse. Matze und Karo fangen an.

Sie sitzen sich an einem Tisch gegenüber, jeder hat ein Teelicht vor sich stehen, eine Streichholzschachtel und 4 Kekse neben sich liegen. Ziel ist es, als erster die Kekse aufgegessen zu haben und zu pfeifen. Man darf aber nur essen, wenn seine Kerze brennt. Daher heißt es kräftig pusten, damit der andere nicht essen kann.

Matze pustet und pustet, vergisst aber das essen, Karos Haare wehen, aber die Kerze brennt und sie gewinnt. Eva und ich verkürzen den Abstand zwischen uns und die 2 Runde startet. Wir beide pusten des öfteren unsere eigene Kerze vor Lachen aus, verbrennen fast unsere Hände beim Abschirmen unserer Flamme und essen essen essen. Aber Eva isst schneller und pfeift.

Das war Partyspaß am Morgen, aber nicht ohne ein paar kluge Gedanken zu dem Spiel zu verlieren: Man kann es  an einzelnen Punkten noch verschärfen und verbessern.

Dann heißt es nochmal ernsthaft: Arbeitsplan. Gerade nach den letzten holperigen Arbeitstagen reflektieren wir nochmal unsere Fragestellung und unsere Arbeitsweise. Wie viel Experiment und wie viel Produktionsgedanken verfolgen wir? Gerade schwimmen wir etwas unentschieden zwischen beidem hin und her, scheint es uns. Entscheiden wir uns stärker für das Experiment, so müssten wir vielleicht mehr ausprobieren, kleinere Schritte machen, Einzelheiten austesten und nicht bereits immer das ganze Spiel erfinden wollen. Entscheiden wir uns stärker für die Produktion, so müssten wir uns zunehmend auf ein Thema einigen und einen stärkeren Fokus setzen. Wie kommen wir aus dieser Schleife raus? Aus der Schleife experimentieren zu wollen, dafür aber erstmal ein Grundgerüst haben zu müssen, einen Plan und schon sind wir wieder am denken, am ausdenken, aber auf Papier.

Wir beschließen: wir wollen probieren! Also die Freiheit nutzen zu experimentieren, dies jedoch in dem wir länger bei einer Idee bleiben. Wir wollen nun stärker in Wochenblöcken denken und mind. eine Woche einer Spielidee folgen. Und dabei alles, was darin keinen Platz hat vorerst außer Acht zu lassen. Dabei entscheiden wir auch, dass wir innerhalb der einzelnen Rätsel/Spiele/Stationen innerhalb eines Spiel die verschiedenen Mittel ausprobieren wollen. Das heißt, verschiedenen Umsetzungsideen, wie Soundcollagen, Audiowalk, öffentlichen Raum einbeziehen, Theaterspielsequenz, usw. innerhalb eines Spiels in den jeweiligen Stationen erproben wollen. Dabei können wir dann evt. Entdeckungen machen, die uns einen Fokus der Mittel für später setzen lassen.

Der Plan für heute ist also die Spielidee von Freitag zu konkretisieren und auszubauen. Wir wollen uns in zwei Teams aufteilen und jeweils am Spielstrang der Eltern und der Kinder weiterdenken. Puhhh…schon wieder denken. Aber es hilft ja nix, denken wir. Und denken uns, morgen ist auch noch ein Tag. Da wird dann gebastelt und geschraubt und gespielt und geguckt. Also Gehirnzellen anschmeißen: Rätsel erfinden…Aber Moment mal, wir müssen vorher noch klären welche Räume es gibt und ob beide Teams alle Räume begehen werden.
Nicht dass wir völlig aneinander vorbei erfinden. Karo redet von dahinten und da vorne und dann hier oben. Ich verstehe nix und wir gehen den Raum ab, um die Orte zu bestimmen. Das Visum wird unter der Tribüne erteilt und die Zeitmaschine ist an der Wand hinter dem Vorhang. Das ist schnell geklärt. Und plötzlich finden wir uns dabei wieder, die Tribüne frei zu räumen. Alle Stühle an die Seite bis auf zwei Reihen, die werden umgedreht und schon hat man eine ganz verquere Raumordnung. Alles irgendwie verschoben. Man guckt hoch statt runter. Und die Kinder die vorne sitzen könnten, sind nun größer als die Erwachsenen, die hinten sitzen. Die oben entstandene Spielfläche läd zum probieren ein. Schon sind Roll-Stühle gefunden und erst nur einer dann zwei bewegen sich rollend übers Parkett und bewegen synchron ihre Arme. Eine kleine Choreo. Wäre eine Möglichkeit. Dann steht wieder Matze da und hält seinen Diavortrag. Also her mit den Dias. Wenn schon denn schon. Da man ihn nicht versteht wird eine Flüstertüte gebastelt. Jetzt hört man ihn gut,…wenn er nach vorne spricht. Sooonst hört man nur Rauschen…und schon entsteht die nächste Spielidee. Sprich alles wichtige nach hinten hin zum Bild und immer nur letzte Sätze nach vorne zu uns…so dass wir eigentlich nie wissen worüber du gerade sprichst. Eine lustige Figur entsteht.
Mir gefällt die Leinwand nicht und ich probiere die Bilder direkt auf die schwarze Wand zu projizieren. Man erkennt sehr viel weniger, es ist schon sehr dunkel. Dennoch ist das Bild sichtbar und entstehen spannende Strukturen, wenn man das Dia auf verschiedene Räumliche Gegebenheiten projiziert. Ein Bild eines schaukelnden Kinder, gekleidet wie aus den 70gern bringt die neue Idee. Auf die gegenüberliegende Seite übergroß projiziert, lässt man das Bild hin und her schwingen. Die Bewegung verknüpft sich mit dem Inhalt des Bildes. Dann stellen sich Matze und Eva an die jeweiligen Seiten. Sie verschwinden völlig im Dunkeln und werden nur sichtbar, wenn das Bild bei ihnen ankommt. Dann stoßen sie das Kind/das Dia an und rufen dazu heiijj, hepp, huiii. Eine ganz bizarre und mystische Stimmung entsteht. Etwas zwischen Realität und Erinnerung. Ein Bild und ein Gefühl für Glück und Zeit zwischen Eltern und Kindern. Schön. So einfach, aber gut.

Außerdem kann man das Dia über Stellen im Raum führen, die heller sind und damit auf einzelne Teile des Bildes stärker hinweisen, da es dort schärfer und heller wird. Zuletzt stellt sich Karo in ein projiziertes Dia hinein, so dass sie als Figur mit am Tisch sitzt. Auch das ist ein schönes Bild für die Verschränkung von Heute und Vergangenheit.
Dann ist Mittagspause und wir freuen uns über den unerwartet praktischen Vormittag.
Nach der Stärkung geht’s nun wirklich ans rätseln. Kurz legen wir noch die Zeiten fest, zu denen es Räume geben soll: 1920, 1970, 2000, 2012, 2030, 2060. Jeder Raum wird von beiden Teams besucht, sie müssen dort aber unterschiedliche Aufgaben lösen.

Matze und Eva überlegen die Rätsel für die Erwachsenen. Karo und ich die für die Kinder.
Nach 2 Stunden Gruppenarbeit stellen wir unsere Ergebnisse vor.
Matze und Eva haben zu fast allen Zeiten kleine Ideen. Beispielweise entdecken sie hinter dem Theater eine Wohnung hinter dessen Fenster, eine absurde Ansammlung von Gegenstände zu sehen ist. Vorstellbar wäre dieses Zimmer als Museum aus 2012 zu betitteln. Aufgabe ist es sich möglichst viele Gegenstände zu merken und an anderer Stelle aufzuzählen um Zeit zu bekommen.

Am stärksten haben die beiden sich mit dem Raum 1970 beschäftigt. Dies haben sie zu der Zeit 1980 geändert. Der Raum ist ausgestattet mit einem Kassettenrekorder und einem Computer. Zu Beginn nach der ersten Ansprache an die Eltern bekommen sie eine Kassette und werden in den ersten Raum geführt. Dort können sie die Kassette in das Abspielgerät legen. Doch sie hören nur 80´ger Musik. Auf dem Computer steht: Passwort eingeben und der Hinweis: Die Antwort kennst du schon. Es ist ein Lieblingsgegenstand deiner Kindheit. Wenn sie dies eingeben öffnet sich ein Hangmanspiel. Das zu erratene Wort ist „Zurückspulen“. Das heißt, die Kassette muss an eine bestimmte Stelle gespult werden. Dabei muss man auf den Zahlcode schauen und das Datum 1980 anzeigen lassen. Wenn man nun die Kassette anhört, erklingt ein weiterer Hinweis, oder anderes. Das ist noch nicht ganz klar.

Karo und ich haben uns noch weiterhin mit dem ersten Raum für die Kinder beschäftigt. Das „Büro Zwerg“, ein Raum der besonders klein ist, das heißt nur Kinder hineinpassen. Hierhin nimmt sie der verrückte Professor mit dem Hinweis „Ich habe meine wichtige Notiz verloren. Ihr müsst mir helfen sie zu finden“. Die Kinder werden mit Kopflampen ausgestattet und in das kleine Zimmer geschcikt. Hier ist alles voller Pläne aus der Zeit um 1900, ein Radio, ein altes Telefon stehen da. Zeichnungen von Maschinen und Erfindungen, die in dieser Zeit entstanden sind. Hier müssen die Kinder nun 3 Stücke der Vertrages finden. Unterschiedliche Hinweise helfen ihnen dabei. Sowohl Kommentare des Professors als auch O-Töne aus dem Radio und Rätsel auf Zetteln führen sie zu den 3 Teilen. Diese werden im Raum der Zeit an ihre vorgesehene Stelle gebracht, so dass der Vertrag nach und nach wächst.

 

Der Vertrag schreibt sich mit der Zeit.

Am Ende des Tages treffen wir uns mit Winni. Diesmal gibt er uns auch inhaltliche Fragen und Gedanken mit auf den Weg. Immer mit dem Hinweis: es ist uns überlassen, was wir davon annehmen wollen.

 

Er stellt nochmal grundsätzliche Fragen wie: Was heißt überhaupt neu? Was ist ein Format?

Inhaltlich fragt er: Was genau wollen wir verhandeln? Was sind Themen der Kinder bzw. zwischen Kindern und Erwachsenen? Dabei stellt er Begriffe wie Freiheit, Grenzen, Konsum, Abschied, Angst, Krieg in den Raum. Er erinnert an den eigenen Kampf zwischen ihm und seinen Eltern. Befreiung aus der Enge. Heute sind Eltern und Kinder oft Freunde, auch das ist vielleicht schwierig. Eine inhaltliche Recherche, weniger über Zukunft, als über die Beziehung von Kindern und Eltern scheint mir sehr sinnvoll.

Außerdem merkt er noch eine andere mögliche Herangehensweise an. Sich zu fragen, welche Gefühle wir auslösen wollen. Und zunächst daran zu arbeiten Zuschauer in Zustände zu versetzen. Die Frage: wie stark wir Grenzen überschreiten wollen, wie weh darf Theater tun? kommt auf.

 

Zuletzt heißt es: Entscheidungen treffen, nur so kommt man weiter.
Gut, wir sind dabei.