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Tag 21 – 11.4. 2012 – Testen, die Zweite

Heute ist das Startspiel ein kleines Experiment.
Ich bin gestern Abend noch mal durch meine Notizen gegangen und dabei hat mich die Vorgabe „Zeitlimit, in dem man Entscheidungen treffen muss – ethische Fragen“ besonders inspiriert.
Dabei hatten wir eigentlich an Spiele gedacht, innerhalb derer diese ethischen Fragen aufkommen und verhandelt werden, während man im Spielfluss ist, diese Fragen nur ein Teil des Spieles sind. Aber wie wäre es, wenn man das ein bisschen vereinfacht und genau die Fragen zum Spielprinzip macht, so dass man innerhalb von wenig Zeit ganz viele solcher direkt gestellter Fragen beantworten muss? Zum Beispiel: Wenn du ohne Nebenwirkungen mit Drogen deine Gehirnleistung verbessern könntest, würdest du sie nehmen? Oder: Kannst du dir vorstellen, dass Kühlschränke ans Internet angeschlossen sind? Fändest du das gut?
Vielleicht entsteht ein Konflikt darin, die Fragen möglichst gut zu beantworten, aber gleichzeitig zu wissen, dass man sich schnell entscheiden muss. Also Qualität vs. Schnelligkeit.
Die Fragen, die ich mir noch vor dem Schlafengehen ausgedacht habe, sind dann doch weniger ethischer Natur, sondern gehen in die Richtung persönlicher Erinnerungen und Erfahrungen.
Als ich es morgens teste, merke ich, dass der Konflikt der Spieler ‘eine gute Antwort zu geben’ und sich schnell entscheiden zu müssen, noch nicht groß genug ist. Sie müssen zwar manchmal nachdenken, aber es gibt nicht die Schwierigkeit, sich entscheiden zu müssen. Dafür ist schön, wie man am Ende nochmal redet: Und, was hast du als schönste Kindheitserinnerung genannt? Was war deine schönste Belohnung? Komisch, ich hab McDonald’s gesagt, aber eigentlich hatte ich da viel schönere Erlebnisse. Diese angerissenen Fragen nimmt man dann vielleicht noch ein Stückchen mit und denkt darüber nach. Wer weiß, ob dieser Ansatz noch in irgendeiner Form in unserem Zukunftsplenum einen Platz finden wird. Mal sehen.
Wir lesen unsere Tagebücher vor, und bringen Karo, die inzwischen wieder gesünder ist auf den neuesten Stand und verteilen die Aufgaben für den Tag.
Für heute haben wir viel Besuch. Das Fernsehen kommt! Und später wieder Testspieler, heute sogar drei Mütter mit ihren Töchtern.
Es gibt also einiges vorzubereiten. Es gilt die Schulrätsel für Kinder und Erwachsene noch fertig zu entwickeln, bzw. zu schleifen, die restlichen Requisiten fertig zu stellen, sowie die Texte von der Zeitmaschine und dem Zeitraum zu verbessern. Matze bastelt an Tropfsounds mit verschiedenen Geschwindigkeiten und Hannah überarbeitet die Powerpoint-Präsentation mit den Regeln, während Karo und ich uns um die Schulspiele kümmern. Wir sind vollauf beschäftigt, da stehen schon die Journalisten in der Tür. Hannah und ich werden kurz interviewt, danach zeigen wir verschiedene Eindrücke aus unserem Aufbau und rufen die Zuschauer dazu auf, sich als TestspielerInnen bei uns anzumelden.
Dann knurren unsere Mägen. Suppenküche.
Zurück im Theaterraum bereiten wir nun alles für das Testpublikum vor, versuchen noch mehr Lücken zu schließen, uns zu überlegen, wie die -wenn auch sporadischen- Übergänge zwischen den einzelnen Stationen ablaufen. Selbst kleine Details dauern länger als man glaubt.
Im Nu ist es so weit und die Testerinnen sind da. Wir bringen sie direkt zur Zeitmaschine, für die wir den Text, der die Zukunft ohne Kinder beschreibt, noch gekürzt und vereinfacht haben. Nach dem Erklären der Regeln im Raum der Zeit, haben wir ein kleines Spiel zwischen Erwachsenen und Kindern vorbereitet, das entscheidet, welches Team als erstes im Schulraum von 1850 spielen darf.
Wer als erstes das Passwort des anderen Teams errät, gewinnt.
Das Passwort der Kinder ist ihre liebste Freizeitbeschäftigung, das Passwort der Eltern ist ihre schönste Kindheitserinnerung. Abwechselnd können die Teams Fragen stellen, die mit Ja und Nein und nein beantwortet werden. Bei einem Ja darf man weiterfragen, bei einem Nein ist das gegnerische Team dran. Es funktioniert, die Regeln sind schnell klar, aber beim Beraten und Fragen stellen wird es etwas träge, weil die Teams zu lange überlegen. Wir versuchen, sie ein bisschen zu beschleunigen, indem wir auf die tickende Zeit hinweisen und sie zum schnelleren Fragen drängen. Schließlich erraten die Eltern als erste: Mit Freunden treffen und quatschen ist die liebste Beschäftigung der Kinder. Die Erinnerung der Eltern war: Ein total leckerer Kuchen von der Oma.
So. Nun geht es in die Schule. Wir überstürzen es etwas, wohl durch die Länge des ersten Spieles ungeduldig geworden, und überspringen ziemlich schnell Matze’s langes Audio-Stück, das die Atmosphäre des Jahres 1850 ausführlich einleitet. Da müssen wir uns in Zukunft etwas zügeln und selber die Ruhe haben, das Dinge auch dauern dürfen.
Weil wir gerade keine anderen Spiele haben, haben wir für heute beschlossen, dass die Kinder bei den Eltern zugucken und umgekehrt. Das funktioniert erstaunlich gut.
Den Kindern gefällt, dass die Eltern gerade sitzen müssen, so wie früher und rufen rein, als sich die Erwachsenen daran machen eine zerrissene Entschuldigung zusammen bauen. Sie genießen es, mehr zu sehen als die Eltern. Als die Kinder dran sind, wird den Eltern sofort bewusst, wie agil und spontan diese noch sind, sich einfach auf die Suche nach Hinweisen zu ihrem eigenen Rätsel machen und drauf los überlegen.
Wir merken zwar, dass wir das Rätsel doch zu schwierig gebaut haben, aber davon lassen sich die drei Mädchen nicht beirren, und raten immer weiter bis sie mit einiger Hilfestellung die Lösung gefunden haben. Insgesamt ist uns klar, es gibt zu viele Hinweise, durch die man sich durchforsten muss, man aber sich nicht die Zeit nimmt um wirklich zu lesen. Für die Kinder ist der Zeitaspekt von besonderer Wichtigkeit. Sie fragen, während die Eltern raten, ob ihre eigene Zeit angehalten wird, und wieviel Zeit sie noch übrig haben, während sie selber raten. Für sie funktioniert die Spielstruktur nach Zeit zu spielen sofort, auch wenn noch Fragen bestehen. Es geht um Zeit, soviel ist klar.
Im Nachgespräch sind wir froh zu hören, dass es beiden Teams auf jeden Fall Spaß gemacht hat.
Eine erwachsene Spielerin ist beeindruckt von eben der Agilität der Kinder und sagt, das für sie selber so ein Spiel schon „seit 40 Jahren überfällig“ war. Zwischen beiden Teams ist sofort ein Zusammenhalt entstanden, obwohl sich die Erwachsenen einen Moment gewünscht hätten, in dem man sich einander vorstellt und das Du anbietet. Eine Mutter fragt nach der Teamgröße und merkt an, dass bei größeren Teams wahrscheinlich die Dynamik stagniert, weil sich dann schnell eine Person rausbildet, die das Team eher leitet.
Auch praktische Hinweise helfen uns, wie z.B.: „Es muss heller sein, sonst kann man die Zettel nicht lesen“, „auf keinen Fall mit Bleistift schreiben, das verwischt“ und „bitte ein Pult für die Senioren, sonst hält das mein Rücken nicht aus, so auf den Bänken zu sitzen“.
Insgesamt fehlte einfach noch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Spielen, bzw. der Gedankengang ist noch schwer nachzuvollziehen: Erst geht es darum, dass es keine Kinder mehr gibt, dann um Zeit und dann plötzlich um ein Rätsel im 19. Jahrhundert.
Und lustig auch, dass sich am Anfang ein Reisebegleiter vorstellt, der dann später aber nie mehr auftaucht. Recht haben sie, die Kinder als sie das anmerken. Wir beschließen, wieder mehr an unseren Rollen zu arbeiten.
Klar, bei uns ist noch so einiges fragmentarisch. Die Testpersonen halten uns jedoch immer wieder vor Augen, dass vieles von dem wir denken, es sei noch nicht gut, dann doch funktioniert, weil sie sich einfach drauf einlassen. Auf der anderen Seite sind es dann oft Fragen zum Zusammenhang und der Spielstruktur, und einer Einheitlichkeit. Eben das Gefühl vom großen Ganzen, das fehlt noch. Wir versuchen unser Bestes.
Nachdem wir das Gespräch ausgewertet haben, räumen wir noch mal den Theaterraum auf, der schon wieder völlig chaotisch ist, damit wir morgen schön frisch anfangen können.