Tag 25 – Tagebuch 17.4.2012
„Auswerten, ordnen, weiterdenken“
Wir beginnen den Tag mit einer Auswertung der gestrigen Präsentation und vor allem des Nachgesprächs. Wir waren insgesamt sehr angetan von der Diskussionsweise der BesucherInnen, sowohl von ihrer Art Feedback zu geben, als auch was inhaltlich gesagt wurde. Obwohl viele gar nicht wussten, was sie erwartete und in unserer Präsentation noch mehr als nur ein paar inhaltliche Lücken waren, startete die Diskussion mit neugierigen Fragen und nicht direkter Kritik. Es gab dennoch sehr viele hilfreiche Anregungen, Fragestellungen und Beobachtungen. Gemeinsam mit Jan Deck tragen wir heute nochmal alle wichtigen Aspekte zusammen und versuchen in Grundsätzliches und Pragmatisches einzuteilen:
Grundsätzliches:
-Was ist unser inhaltlicher Fokus, unsere Leitlinie? Was wollen wir mit dem Ganzen?
-Die Reise in die Vergangenheit als einen Reflexionsraum für die Zukunft begreifen (gemeint ist, dass man hier nicht nur erfährt wie es früher war, sondern Aspekte gespiegelt werden, die in der entworfenen Zukunftsutopie vorkommen)
-Nicht so vorsichtig sein! Provozieren. Inhaltlich und pragmatisch. Z.B. die Behauptung in der Zukunft gäbe es keine Kinder ernst nehmen und nicht so nebenbei behandeln.
-Spielraum vs. Erfahrungsraum. Vielleicht geht es eher um Erfahrungen als das Game. Nicht der Wettbewerb, sondern das Abenteuer könnte im Vordergrund stehen.
Auch bei Pragmatischem ist der Hauptpunkt: Was ist unsere Leitlinie/Leitfrage? Außerdem:
-Wir sollen einmal die Wege der Elemente durchgehen, welchen Platz hat jedes Teil (wie die Pässe, Vertragsstücke, Wasseruhr) an Anfang, Mitte und Ende des ‘Stücks’.
-Recherche Kinderperspektive (nochmal intensiver mit Kindern arbeiten, um ihre Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit Zukunft, Eltern, Kindsein mehr zu erfahren
-Imagination von Zukunft (und Vergangenheit) stärker machen / inszenieren (Kinder haben ein anderes Verhältnis zur Vergangenheit als Erwachsene, für sie ist sie fast so exotisch wie Zukunftsszenarien)
-Wie mit Klischees umgehen?
-Was ist die Erzählung? Gibt es eine Geschichte oder eher einen Gedanken?
-Gegenseitige Abhängigkeit der Teams im Auge behalten
Für folgende Punkte eröffnen wir eine neue Kategorie, weil sie sich eher auf Details beziehen, bzw. spezifischer sind:
-Wie viele Anfänge braucht man? Zeittunnel und Zeitraum doppeln sich gerade. Wir könnten den Zeittunnel zur Schleuse und das Podium zur Zeitkapsel, Zeitmaschine machen, so dass sie nicht als zwei separate Stationen funktionieren, an denen man anhält
-Brauchen wir den Beamer? Oder lieber eine Ästhetik mit den alten Geräten verfolgen?
-Idee: Babyphon. Freiheit und Abhängigkeit zw. Kindern und Erwachsenen.
Das sind alles wichtige Punkte. Worauf wollen und werden wir uns nun in der verbleibenden Zeit konzentrieren? Wie ordnen wir uns und das Chaos im Kopf? Wie machen wir weiter?
Wir kommen ins Gespräch über das Dilemma sich davon zu befreien, immer in der Zukunft zu denken statt im Jetzt zu sein, gleichzeitig aber auch Dinge erreichen zu wollen und deshalb oft in der Zukunft denken zu müssen. Was ist unsere Haltung?
Jan erinnert uns daran, dass das Politische in der Performance nicht der Inhalt ist, sondern wie die Spieler sich verhalten können und verhalten. Sollten wir unsere Prämisse umdrehen und die Aufgabe lauten lassen: Hier sind dreißig Wasserkästen = Zeit im Überfluss – Verschwendet sie!
Zeit für eine Pause. Wir essen im Schwan zu Mittag und schnappen etwas frische Luft.
Zurück im Theater versuchen wir aus den obigen Punkten Konsequenzen zu ziehen, überprüfen unser Konzept und überlegen welche Veränderungen uns jetzt weiterhelfen würden. Dabei beschäftigt uns besonders der Punkt Spielraum vs. Erforschungsraum. Eine Anmerkung im Nachgespräch gestern war unter anderem, dass es vielleicht auch gar nicht so viel Überbau braucht, sondern schon allein dadurch, dass man Kinder und Erwachsene als ‘Teams’ in einem Raum hat, vielleicht schon genug Interessantes passiert und man damit erstmal arbeiten könnte.
Wir sprechen darüber, dass es toll wäre, den Erwachsenen einen Raum zu bieten, in dem sie sich aus dem täglichen Stress ausgekoppelt fühlen, wo sie durch einen Entschleunigungsraum geschickt werden und sich wieder wie Kinder fühlen.
Wir überlegen, wie man sich in dem Format auf nur einen Aspekt (Wasseruhr und Zeitdruck, Vertrag, es gibt keine Kinder mehr, Reise durch die Zeiten) reduzieren kann.
Durch das Gespräch gelangen wir zu der Idee einer viel offeneren Struktur, die wir ‘Jahrmarkt’ nennen. Nicht von uns geleitet sollen die Spieler sich durch den Raum bewegen, sondern selber entdecken und entscheiden, an welcher Station sie sich aufhalten wollen. Ein lauter Chaosraum, in dem man sich als Spieler entscheiden muss, wo man sich aufhalten will, mit was man seine Zeit verbringen möchte.
Vom Kiosk oben werden durch Ausrufe oder ‘persönliche Beratungsgespräche’ immer wieder Aufgaben und Impulse an SpielerInnen gegeben. Es könnte auf dem Podium auch ein Mikrophon geben, durch das Sätze oder Fragen gesagt werden können.
Plötzlich scheint wieder alles möglich. Hier kann man sogar den Vertrag als eine einzelne Station unterbringen, es könnten auch 60 ZuschauerInnen teilnehmen. Das Prinzip Chaos, ein gleißendes Licht an unserem Plenums-Horizont? Wir beschließen darüber nochmal eine Nacht zu schlafen, um uns morgen wieder zu treffen und konkret umzusetzen.
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