flausen.plus

06.07.12 / Kaja

Wetter: nach Regen, unerwartet ein schöner Tag
Arbeitszeit: ziemlich früh bis nach Mittag
Stimmung: interessiert, Museumsgedrückt
Eindrücklichste Bild: Maike auf der anderen Seite des Bahnhofs winkt
Eindrücklichster Moment: Maike und Johanna an den Tasten
Zustand der Utopie: nicht feststellbar
Lieblingszitat: „Lust und Liebe zur Arbeit. Das ist der Baugrund für Deinen Aufstieg.“

Es ist Exkursionstag! Wir sind kreuzfrüh aufgestanden, nach Hamburg gefahren und stehen jetzt vor dem Museum der Arbeit. „Ich dachte, das wäre so ein Popel-Museum. Aber das ist ja richtig groß!“ sagt Ulrike und gibt damit den Auftakt zum Betreten des alten Fabrik-Gebäudes in Hamburg-Barmbek. Das Museum der Arbeit zeigt uns die geschichtliche Dimension der Arbeit in der Entwicklung von Manufakturen über Industrialisierung bis zum Post-Fordismus. Dabei geht es auch ganz praktisch um das Wie der Arbeit. Wir stolpern also im unteren Geschoss durch einige Exponate einer ehemaligen Abzeichen-Fabrik, die in ein Hinterhaus in Hamburg-Hohenfelde passte. Weiter geht es durch die Geschichte des Druckes und ein Kaufmannsunternehmen, das mit Rohstoffen aus den ehemaligen Kolonien handelte. Hier bleiben wir zum ersten Mal hängen. An zwei Schreibmaschinen kann man testen, ob man den damaligen Einstellungstest bestehen würde. Guter Dinge setzen wir uns an die Maschinen. Wir sind sicher, so schlecht werden wir nicht abschneiden, schließlich können wir fast alle 10Finger-Tippen, sind nicht langsam an der Tastatur.
Als nach 4:06min die Stoppuhr anschlägt und wir noch nicht mal durch die Hälfte des Textes gekommen sind, und schon gar nicht fehlerfrei, wissen wir: der Unterschied zwischen Tippen und Tippen ist deutlich grösser. Im Anschluss an den Besuch wird sich eine Diskussion darüber entspinnen, ob die Typistin nicht weniger entfremdet ist von ihrer Arbeit als wir, die wir nur noch mit Wisch- und Antipp-Gesten an kleinen schwarzen oder weißen Kisten arbeiten. Ich selbst habe mich bisher nie als besonders entfremdet gesehen, weil ich ja ein Produkt (nämlich mein Projekt) von Anfang bis Ende verfolge. Aber von Arbeit im Sinne von durch physikalischer Aktivität veränderte Realität im Herstellenden Sinne kann ich natürlich nicht sprechen. Die Arbeit meiner Hände und meines Kopfes ist haptisch nicht fassbar. Was verändert das für meine Rezeption von Arbeit? Was bedeutet es für eine Utopie von Arbeit?

Im obersten Geschoss finden wir dann den – meiner Meinung nach – interessantesten Teil des Museums. eine Ausstellung, die den Titel „ABC der Arbeit“ trägt. Dort finden sich zu einzelne Stichworten und Exponaten kleine Geschichten zur Arbeit. wir erfahren, dass bis heute die Euro-Palette nicht zum Container-Maß passt. Dass die Gewerkschaften erst seit ca. 20 Jahren mehr über Gehälter als über Arbeitszeit reden (die 35h Woche und der 8 h Tag sind halt nicht mehr so wichtige Themen in einer fluktuierenden Arbeitswelt).

Als wir aus dem Museum herauskommen, sagt Ulli: „Ich will mehr tendenziöse Informationen! mehr Meinungen! Mit diesem ganzen ‚objektiven‘ und ‚pseudo-wissenschaftlichen‘ kann ich irgendwie nichts anfangen.“ Ich stimme ihr zu. so interessant ich vieles fand, so anschaulich der Museumspädagogische Dienst vieles aufbereitet hat, so wenig hat es mich im eigentlichen Sinne inspiriert. Insgeheim freu ich mich auf die nächste Woche: Am Montag werden wir uns gegenseitig Lösungen für dieses ganze Überarbeitungs-Faulheits-Ich achte auf mich-Ächtungs-Problem präsentieren. Mal schauen, was dabei herauskommt…