26.06./Johanna
Wetter: verdunkelt, aber trocken
Arbeitszeit: 14:00 – 20:00 Uhr
Stimmung: läuft
Eindrücklichster Moment: Palestrina hören in der Lunchpause
Bestes Zitat: Ulli: „Der Preis für die Utopie ist die Diktatur.“
persönl. Lieblingswort heute: Futurologie
persönl. Tageserkenntnis: Utopien tun weh
persönl. Orakeln: Das Auslosverfahren ist absolut fair und hält sich an die Reihenfolge.
Die Utopie: Ungediehn, aber um eine Tomate, zwei Salate und eine Minze erweitert.
Heute ist Szenarientag. Maike hat sich dafür in eine intensive Recherche in der Futurologie begeben und den Tag für uns strukturiert, damit wir umso freier utopieren können. Kaja hat plötzlich noch den Geistesblitz einer Erinnerung an „Per Anhalter durch die Galaxis“. Douglas Adams lässt darin alle Bewohner des Planeten in drei Raumsschiffe steigen. Am Ende stirbt die ganze Bevölkerung an gifitigen Telefonhörern. Das bringt uns zu der Frage, auf welche Berufe wir in unsrer Utopie verzichten würden. Aber wir müssen erstmal bei den Wurzeln anfangen: dem Begriff der UTOPIE an sich.
Zunächst brainstormen wir in Parkaue-Manier – schweigend und mit nur einem Stift um unsere Gedanken in den gemeinsamen Pool zu werfen. Vom Amazonenstaat (vor dem wir uns alle seltsamerweise fürchten), über den SAT.1-Film (den wir alle noch mehr aber nicht seltsamerweise fürchten) und Atlantis (über dessen Schicksal wir uns nicht einig sind), bis zu Kapitän Kirk, der auf Nackte im Paradies stößt (an dieser Stelle wollen wir sicherheitshalber und ganz freiwillig nicht weiterdenken). Fazit dieses ersten Brainstormings ist, dass wir die Utopie auch in einer utopiefreien Zeit als Grundlage für eine Neuerung dringend brauchen.
Bei unserem zweiten Brainstorming zu „Was macht Arbeit attraktiv?“ sind wir schnell bei „Geeeeeeeeld!!!!“. Das macht Kaja ganz unglücklich, aber hier sind wir am Kern des Problems. Als Gegenentwurf möchte Kaja eine Gesellschaft in der Leute nur das auch arbeiten müssen, was ihnen Spaß macht. Und wir wollen eine Welt, in der Betriebe die Verantwortung für die Freizeit, die Kitas und die Gesundheit ihrer Angestellten übernehmen. Arbeit soll was möglich machen.
Außerdem sammeln wir die Parameter des perfekten Arbeitsplatzes (Rückfrage an die flausen: Warum sind wir bei unserer letzten Zwicki-Box nicht mehr auf dieses Brainstorming zurück gekommen?) und perfekter Arbeitskleidung.
Plötzlich die Frage: Ist Anerkennung ein Alibi für eine schlechte Bezahlung? Und schon ist sie wieder weg.
Wir als Theaterschaffende neiden es denen, die gleich den konkreten Nutzen ihrer Arbeit für andere erkennen können. Was wir haben ist zeitverzögert und mit einem dicken Batzen Hoffnung besetzt. Wie utopisch ist schon allein die Arbeit im Theater und kann man eigentlich diese Utopie auch aushalten?
Bei der dritten Mind Map gehts rund und alle laufen zur Höchstform auf: „Wo liegen die Probleme in der aktuellen Arbeitswelt?“
Spätestens jetzt hat Maike alle aus der Schläfrigkeit der Mittagszeit geholt.
Größtes Problem: Motivation macht nicht satt. Außerdem wären da noch die ungleiche Einkommensverteilung, die Wirtschaft als stärkste Instanz des Landes, die aber von ihrer sozialen Verantwortung abgelöst ist, kompetenzunabhängige Arbeitsplatzverteilung, lebenslange Unsicherheit. Unser weißes Papier glänzt in Eddingschwarz.
Ulli macht uns mit den „Herren IT und Oberarzt“ bekannt, aber letztendlich ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
Mit Hilfe der Zwicky-Box entwickelt jede im Anschluss eine Variante ihres perfekten Arbeitstisches. Von flausen-Tisch über Diplomarbeitstisch bis zum sinnlichen Modell mit Lebendem Buffet und Lebensrisiko ist alles dabei. Vielleicht sollten wir zwecks besseren Arbeitskonditionen und –bezahlung in die Produktdesignbranche wechseln…
Beim Trichterbrainstorming à la dummet face sind wir auf der Jagd nach dem Best und Worst Case Scenario, falls sich in der Freien Theaterszene nichts ändert. Nur so viel: Wir enthüllen einige bekannte Akteure als Aliens, die bei Shakespeare noch „Wow!“ rufen, entwickeln die Wirtschaftsbranche der Creative Sustainable Cultural Industries und weissagen die Rest-Freie-Szene im Untergrund (RFSU), die in dritter Generation die Welt gerettet haben wird.
All das bringen wir zuletzt und nach einer Lunchpause the zwicky way in einem Arbeitsweltutopieentwurf zusammen. Doch da sind wir dann alle schon aus dem Ruder gelaufen.
Nachtrag: Glück
Persönliche Ergänzung zum Logbuch
Kaja
Arbeitszeiten. Seit der Industrialisierung eines der wichtigsten Themen für Gewerkschaften. Geregelt sollten sie sein. Wer kennt nicht das rote Plakat mit der gelb strahlenden Sonne und einer wunderbar gesetzten 35. Und Samstag sollte der Vati der Familie gehören.
Zwei, drei schöne Jahrzehnte träumte die alte BRD diesen Traum von der samstäglichen Autowäsche und dem Feierabendbier in der Reihenhaussiedlung.
Die Agfa Color farbene Idylle hielt nicht mal bis zur Wende durch. Spätestens aber in den späten 90ern mit ihren Start Ups und ab Mitte der 00er Jahre mit Kreativwirtschaft und Sascha Lobo ist der Traum aus.
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