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SA, 18.1.
Da wir in den letzten Tagen nicht immer alle zusammen gearbeitet haben, müssen wir uns jetzt gegenseitig auf den aktuellen Stand bringen. Wir berichten uns von den Ergebnissen der Woche, zeigen uns Sounds und kurze Sequenzen auf der Bühne und sprechen über inhaltliche Schwerpunkte. Außerdem beginnen wir, uns einen Überblick über unser bisheriges Material zu verschaffen. Während der gesamten Diskussion nimmt Bernhard uns auf um anschließend Material zu extrahieren und aus unseren parasprachlichen Äußerungen eine Tonsequenz zu komponieren.

Während Bernhard sich mit dem Tonschnitt befasst, beginnen Stine, Katharina und Alice mit einer szenischen Anordnung auf der Bühne. Zwei Performer betreten die Bühne, widmen ihre Aufmerksamkeit aber nicht dem Publikum, sondern einem unsichtbaren und scheinbar sehr bedeutsamen Punkt im Raum. Dabei werden verschiedene Versionen ausprobiert: Wie können wir die Existenz des unsichtbaren Punktes deutlich machen, ohne darüber zu sprechen? Sind die Performer schon auf der Bühne und die Atmosphäre wird durch Licht und Sound hergestellt oder wollen wir mit Auftritt und Bewegung arbeiten?

Wir arbeiten in verschiedene Richtungen, verfeinern und verwerfen Gefundenes und bleiben am Ende mit zwei Versionen zurück, die wir am Sonntag weiter bearbeiten wollen.

Abends schauen wir uns noch das „Planet der Affen“-Remake von Tim Burton an und fragen uns, warum Helena Bonham Carter eine so unschöne Maske bekommen hat.

SO, 19.01.2014
Heute haben wir zunächst am Sound weiterentwickelt. Ausgangfrage hierfür war: Wir kann das parasprachliche Material unter tonalen Aspekten verwendet und bearbeitet werden? Wir können die klanglichen Aspekte stärker herausgearbeitet werden?

Das Parasprachliche Material aus der Aufnahme der Diskussion diente dabei als Grundlage. Aus einem ca. 3-sekündigen Teil, indem jemand summt, wurde ein Sample erstellt. Dieses Sample wurde geloopt und mit einem aus Reverb, Delay und Pitch kombinierten Effekt belegt. Auf diese Weise entstand ein Harmonischer Loop, der als Grundlage für den weiteren Aufbau einer Tonspur aus den parasprachlichen Äusserungen diente. Die parasprachlichen Äusserungen wurden ausgesiebt und neu montiert. Auch sie wurden mit einer ähnlichen Effektkombination, jedoch mit anderen Parametern belegt. Auf diese Weise entstand ein Track, der das Material unter tonalen Aspekten neu ordnete und gruppierte. Dieser Track soll in den nächsten Tagen mit verschiedenen szenischen Anordnungen kombiniert werden.

Nachmittags begeben wir uns an Versuche mit Text. Unser Anliegen ist es, unterschiedliche Arten von Text zu generieren, welche unsere thematischen Auseinandersetzungen mit derMaterie für die Bühne greifbar machen, ohne das Themenfeld zu sehr einzuengen, bzw. zu kleinteilig zu werden.

Zunächst sichten wir als Inspiration einen Werbespot für die Rettung von bedrohten Delphinen in Japan. In diesem Werbespot, der überwiegend in schwarz-weiss gehalten ist, sprechen mehrere prominente amerikanische Schauspieler direkt in die Kamera. Der Text ist repetitiv, die Haltung vor Betroffenheit triefend und die Musik anrührend. Interessant dabei war die Formulierung und der sprachliche Aufbau des Spots. Die ersten Sätze fangen alle mit der Formulierung „My Friend…“ an, sodass zunächst der Eindruck vermittelt wird, es wäre von einem Menschen die Rede. Auf diese Weise wird Empathie erzeugt, die sich dann auf die Tiere übertragen soll. Wir nehmen uns für die nächsten Tage vor, inspiriert von dem Spot in den nächsten Tagen einen Text zu entwickeln, der dieses doppeldeutige Verhältnis Mensch/Mensch, bzw. Mensch/Tier thematisiert.

Mo, 20.1.2014
Vormittag. Wir haben in den letzten Tagen etwas Zeit nach den Proben darauf verwendet, für uns eine Übersicht zu schaffen: Was sind in unserem Prozess die wichtigsten thematischen Schwerpunkte? Welche szenischen Versatzstücke sind schon entstanden? Was für Tonexperimente? Welche (neuen) Ideen wollen wir auf den Gebieten Kostüm und Maske verfolgen, nachdem diese beiden Disziplinen in unseren bisherigen Arbeiten wenig vertieft wurden?
Wir behalten dieses Überblicksdokument im Auge und tauschen uns während der kommenden Zeit regelmäßig darüber aus, was wieder aufgenommen und was zu einer besonderen Herausforderung werden kann.
Wir setzen den Tag dann zügig mit praktischer szenischer Arbeit fort und beschließen, heute möglichst wenig zu reden. In „schnell-und-schmutzig“-Manier soll erstmal etwas entstehen, auswerten kann man immer noch.

1. Gorillas im Nebel

Anfangsaufbau, rudimentäres Bühnenbild und athmosphärische Vorstellung: Schrotthaufen, Apokalypse, Kaputtheit, Was von der Zivilisation übrig blieb.
Rechts auf der Bühne ein Chaoshaufen Bühnentechnik und ein paar Objekte (Tisch, Plastik, Pulli). Der Schrotthaufen äußert Zeichen von Restfunktion, evtl. Gefahr oder Spielangebot. Lukas futtert im Schrotthaufen herum.

Diese Szenerie ist im hinteren Teil der Bühne beleuchtet, der vordere Teil ist dunkel. Darin treten mehrere von uns auf, zunächst nur (Im Weg/vor dem Publikum) stehend. Dann gehen sie weiter in den dunklen Teil der Bühne hinein, kommunizieren miteinander, sind geschäftig, aber nicht hektisch. Auch innehalten, hinhocken oder Stehen, die Szene im Licht aus der Dunkelheit heraus betrachten.

Aus dem Dunkel heraus werden einige von uns schließlich beleuchtet, die mit dem Rücken zum Publikum am Boden hocken und angespannt die linke obere Traverse bewachen. Kaum bewegtes Bild.

Grundlage dieser Szene sind zwei Vorstellungen/Bilder:
Das Bild von Affen im Zoo, die sich einvernehmlich mit dem Rücken zu uns setzen und etwas für uns unsichtbares aufmerksam beobachten/bewachen. Wir wissen von einem Extremfall, in dem Paviane so ein Verhalten über mehrere Tage zeigten; der Vorfall blieb ungeklärt. Für welche Dinge sind Tiere „zuständig“, die uns verschlossen bleiben? Und wie schauen wir auf die vermeintlich untergeordneten Spezies, wenn sie sich uns so offensichtlich entziehen?

Das Gewusel im Dunkeln gehört zu unserer Forschung an einem Abgrund zwischen Zuschauerraum und Bühne, aber auch zwischen zwei im weitesten Sinne unterschiedlichen Spezies. Wir nutzen diese unbeleuchtete Zone, um den Zuschauerraum zu verlängern, die Verantwortlichkeit für das Bühnengeschehen zu verwischen, aber auch um selbst auf der Bühne einen bestimmten Teil des Geschehens als fremd und eigenständig betrachten zu können.

Nachmittag.

2. Delfindialog

Text soll für uns eine wichtige Baustelle werden, also verbringen wir den Nachmittag mit einer Impro um den Delfintext herum, der im gestern transkribierten Werbespot vorkommt. Wir beginnen mit einem Spiel, das Alice und Käthe an bestimmte Sprachregeln bindet und dazu führt, dass sie aus der einfachen Satzstruktur „Mein Freund ist/kann/hat/…“ nach und nach einen Dialog machen, der ein Wesen zwischen Mensch und Tier beschreibt. Keiner weiß, was damit szenisch geschehen soll, aber weil das Ganze als Aufgabe Spaß macht und wir viel darüber herausfinden, welche Aussagen interessante Fährten zu diesem unbekannten Wesen legen, befassen wir uns ausführlich damit.

DI, 21.1.2014
Heute arbeiten wir an dem scherzhaft „Gorillas im Nebel“ genannten Bild weiter. Dieses beruht auf einem Zeitungsbericht über die Paviangruppe eines Zoos, welche ohne erkennbaren Auslöser zehn Tage lang ohne Unterbrechung in die gleiche Richtung schauend, von den Besuchern abgewandt verharrt hat. Uns reizt dieses Szenario, da es die Fremdheit der Tiere, unsere Unfähigkeit mit Ihnen befriedigend zu kommunizieren thematisiert, sowie die Tatsache, dass die Tiere in ihrem rätselhaften Verhalten zu einer Projektionsfläche unserer Phantasie werden. Bereits am Vortag haben wir an diesem Bild gearbeitet, sind jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen, weshalb heute weitere Varianten probiert und verglichen werden sollen. Diese unterscheiden sich zunächst in erster Linie durch unterschiedliche Einrichtung des Lichts.

Variante zwei hat deutlich mehr Potential als Variante eins. Sie gibt dem Zuschauer deutlich mehr Denkangebote. Zunächst wird ihm eine relativ klar Theatrale Situation geboten, die ihm Zeit gibt, zu schauen und sich zu orientieren innerhalb klar gesteckter Grenzen (Bühne/Zuschauerraum). Durch das heraustreten des zweiten Performerpaares aus dem Zuschauerraum werden diese Grenzen durchlässig gemacht oder zumindest in Frage gestellt. Die Art des Agierens der Performer im Halbdunkel stellt zudem die sonst so klare Besetzung des Performers als Souverän in Frage, da hier z.B. eine technische Unklarheit etc. assoziiert werden kann. Zudem thematisieren die aus dem Zuschauerraum (= Ort des Schauens) Heraustretenden das Schauen selbst: Es entsteht eine Situation in der der Zuschauer Schauenden zuschaut, die Ihrerseits Schauende beobachten. Zudem entsteht eine Verunsicherung über die zunächst klar scheinende Rollenverteilung zwischen handelndem Performer und passivem Zuschauer.

Am späten Nachmittag steht das Halbzeittreffen mit Winfried und Jürgen an, in dem wir kurz ansprechen, worauf sich unsere Forschung mittlerweile etwas eingeengt hat: Unsere Interessen liegen nun verstärkt auf dem Aspekt des Fremdartigen, Grenzüberschreitenden, Irritierenden, sowohl den Inhalt, als auch Performance und Ästhetik betreffend.

Wir zeigen Winfried und Jürgen unsere favorisierte Variante von „Gorillas im Nebel“ und danach unsere Textgenerierungsmaßnahme „die Delfine“ (s. Montag).

Spontan mischen wir in die Delfinnummer noch die Erforschung unseres Sprechapparats, indem wir  in den Text mehr oder weniger subtile nichtsprachliche Äußerungen mischen.

Nach einer ausführlichen Feedbackrunde kommen wir zu dem Schluss, dass beide Szenen in die Richtung funktionien, in die wir arbeiten wollen und dass man beide Ansätze weiter verfolgen sollte.