Ein kurzer Ausschnitt aus einem der in der zweiten Woche entstandenen Texte:
Ganz langsam, ganz zart. Atemzug für Atemzug hebt und senkt sich der Wasserspiegel. Atemzug für Atemzug gewöhnt sich das Wasser an meine Anwesenheit, spannt seinen Rand an meiner Haut, wenn die Moleküle ihren Halt an meiner Grenze finden. Der nächste Atemzug bringt das Fass zum Überlaufen. Ich verliere dich, verliere einen Teil von dir, ich darf mich nicht bewegen, nicht zu viel, nicht zu schnell – wie in Zeitlupe an meinem Körper entlang, um jeden Tropfen zurückzugeben. Halte meinen Atem flach, halte mich flach und klein, halte mich beisammen, halte mich fest an mir in dir.

Audio: Tropfen im Raum

12 Fragen der Woche:
Wie hat mich das Wasser geformt?
Wie formt dich das Wasser?
Gibt es einen Wasserkreislauf im Menschen?
Wie viel Wasser kann unser Körper aufnehmen, bevor es ihn umbringt?
Welches Wissen brauchen wir, um unseren privilegierten Umgang mit Wasser zu verändern?
Wer hat welches Recht an der Nutzung des Wassers und warum?
Was passiert, wenn heißer Dampf auf kalte Fläche trifft?
Wie viel Wasser kann ich in meiner Handfläche halten?
Lässt sich Wasser aufhalten?
Was passiert, wenn mir drei Minuten lang eiskaltes Wasser über die Stirn tropft?
Wie kann mein Körper die Oberflächenspannung halten und alles Wasser bewahren?
Wieviel Wasser kann mein Körper aufnehmen, wie viel transportieren?

Wasser und Körper
Wasser und Körper treffen aufeinander. Wie kann das aussehen? Welche Handlungen ruft die Agency des Wassers hervor? Während unserer zweiten Residenzwoche stand das Wasser uns als Körper “gegenüber”. Wir setzten uns dem Wasser aus.
Wir sammelten eine Reihe von Handlungen, die uns diesbezüglich interessierten, die wir ausprobieren und erfahren wollten. Ein Teil der Versuche widmete sich dem Transport von Wasser mit unserem Körper. Wir suchten nach Kuhlen am Körper, die Wasser transportieren können und testeten alleine und gemeinsam die Möglichkeiten aus. Unser Ergebnis: Die Haare von Marielle nehmen eine Wasserkapazität von ca 250 bis 300 ml auf und sind somit das beste Transportmittel in unserem Versuch. Aber egal wie wir versuchten, Wasser mit dem Körper zu transportieren: Es geht immer was verloren!
Ein weiterer Versuch von Wasser und Körper war es, das Wasser zu werfen. Wir beschlossen, uns gegenseitig fortlaufend Wassergläser ins Gesicht zu “werfen”. Fängt es irgendwann an, keinen Spaß mehr zu machen? Macht das überhaupt Spaß? Ja, das tut es, wenn die klare Verabredung zweiter Performerinnen drunter liegt und nur der Akt des Wasserwerfens im Mittelpunkt steht. Und obwohl wir als Körper wissen, dass das Wasser gleich auf unser Gesicht abprallen wird, so bleibt es doch eine Überraschung. Immer wieder.
Der Körper reagiert auf die ruckartige Begegnung, zuckt zusammen, lacht, wird schneller, hält inne und wird immer nasser. Einen dritten Versuch von Körper und Wasser machten wir mit tropfenden Eisblöcken, die wir als Teil einer Tropfen-Installation vorbereitet hatten. Wir stellten uns jeweils unter den schmelzenden Eisblock und ließen drei Minuten lang Tropfen für Tropfen auf unsere Stirn tropfen. Was macht das mit uns? Wie angenehm bzw unangenehm ist das? Was passiert beim Zuschauen? Wir hielten fest: Die eiskalten Tropfen auf Dauer abzubekommen, wird zunehmend unangenehm, viel unangenehmer, als wir gedacht hatten. Das Wasser beginnt von der Stirn über die Augenbrauen am Gesicht entlang zu laufen und füllt die Augen, sodass man sie kaum wieder öffnen kann. “Wir schauen in die Kamera, wir bleiben neutral”, das war die Vereinbarung. Wir setzten uns den Tropfen als Körper aus. Als Zuschauerin sah man “Tränen”, sah wie unangenehm es wird und wie viel Anstrengung es den Körper kostet, die Augen wieder zu öffnen, wenn das Wasser hinein geronnen ist.

Video zu: Wasser gemeinsam tragen
Video zu: Wasser weiterreichen

Ein paar Gedanken zum Thema Agency – so far
Wasser hat Agency. Wir brauchen sie ihm nicht zuzusprechen. Aber ob wir sie sichtbar machen können, wissen wir immer noch nicht genau. Was wir wissen ist: Wasser wirkt unmittelbar. Es wirkt auf den Körper. Die Blase meldet sich, als strebte das Wasser zum Wasser. Es weicht den Körper auf. Es kühlt ihn, es erhitzt ihn. Es versetzt ihn in Bewegung.
Was wir wissen ist: Wasser transportiert immer etwas. Es transportiert Nährstoffe, Schiffe, Mikroorganismen und Emotionen. Es hat eine affektive Kraft. Vielleicht ist das eine seiner Agencies. Und: Es bleibt an uns haften, selbst dann, wenn es seinen Zustand verändert hat und unsichtbar gasförmig hinfort schwebt, ist der Tropfen, der vorher auf der Hand war, nicht ganz verschwunden.