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Wir starten in die dritte Woche. Alle sind wieder fit von der Impfung. Es ist schön wieder zu viert zu sein und gemeinsam in die kommende Zeit zu starten.

Nach wie vor sind wir in unterschiedlichen Rhythmen unterwegs und beackern unsere verschiedenen Themenbereiche und Ansätze. Wir verteilen die Zeit in “Tagesregien”, in der jeweils zwei Leute den Tag vorbereiten und moderieren und “Alone time”, in der Zeit für die eigene Recherche ist. Es bleibt eine organisatorische Kniffelaufgabe, wie wir zusammenkommen und verschiedene Bedürfnisse berücksichtigen können. Wir nehmen uns diese Frage nach Arbeitsbedingungen zum weiteren Thema und nehmen uns Zeit für Strukturdiskussionen in gemeinsamen Mittagessen und hängen über Wochenplänen.

Am Dienstag leiten Arnita und Liza den Tag. Zu jedem Probentag gehört Check In, Check Out und ein Warm-Up.

Heute geht’s um Normkonstruktionen von Körpern und Identitäten und um den Begriff “normal” an sich.

Ein szenischer Versuchsaufbau vom Tag:

Drei Leute stehen in einer Linie auf der Bühne. Eine Person formuliert Aussagen. Wer die Aussage als auf sich zutreffend empfindet, bewegt sich vorwärts.

Mit diesen Aussagen haben wir probiert:

Ich habe Schuhgröße 39.
Mein BMI bewegt sich im grünen Bereich.
Meine Körbchengröße ist 80B.
Ich habe eine normale Haarfarbe.
Ich gehöre dazu.
Ich bin belastbar.
Ich habe Angst einen Burn Out zu bekommen.
Ich habe eine gute Gesundheit.

Wir alle probieren uns im Frage stellen. Spannend ist der Prozess des Überlegens: Was empfinde ich als passende Aussage für mich. Ebenso spannend ist der Blick zurück an die Fragen-stellende Person: Was zeigt sich durch die Fragen, die ihr durch den Kopf schießen über sie?

Am Mittwoch kommt Isabel für eine zweite Mentoring-Sitzung:

Wir starten wie letzte Woche mit Spaghetti in unserem Lieblingscafé. Dann wird sortiert: Welche Bedürfnisse stehen im Raum? Was muss an der Struktur verändert werden? Wir haben eine lange und sehr produktive Session und am Ende steht ein neuer Plan für die kommenden 1,5 Wochen. Der Tag endet mit vier kurzen Spaziergängen, in der sich jede einzeln mit Isabel austauscht.

Am Donnerstag gibt es eine Session zu Wut und Stand-Up. Wicki hat einen Text geschrieben, der Grundlage für einen Versuch werden soll. In der Woche zuvor waren wir beim Open Mic im Boing Comedy Club und haben einige Alleinunterhalter*innen mit ihren Versuchen gesehen.
Hier soll es jetzt um Wut gehen. Und darum nur den Körper und die Sprache zu haben – ohne Bühne und Bilder. Es soll eine Art Etüde von Gesten, Worten und Stimme entstehen, die Wicki wie ein Musikstück immer und immer wieder üben kann.
Wir sammeln die typischen Gesten von Wicki: Was findet ihr witzig an ihrem Körper? Was ist merkwürdig? Was wäre cool zu nutzen?

Arnita, Janna und Liza übernehmen die Regie.
Immer wieder performt Wicki ihren Text.

Es gibt sehr verschiedene Versuche. Übrig bleiben Fragen nach:
Wie performativ soll das ganze werden oder ist es tatsächlich der Versuch eine eigene Stand Up-Show zu entwickeln – ohne jegliches Drum herum?

Am Freitag morgen ist alone-Time:

Im Freibad laut aus RAGE BECOMES HER vorlesen: wie Soraya Chemaly als 15 Jährige nach Hause kommt und sieht, wie ihre Mutter einen Teller nach dem anderen des teuren Aussteuer-Geschirrs vom Balkon in die Luft schmeißt. Chemaly erinnert sich, wie ruhig es damals war und wie lautlos die Mutter sich dem Geschirr (und ihrer Wut) entledigte. Zurück in der Küche begrüßt die Mutter ihre Tochter mit einem: “Wie war Dein Schultag?”

Am Abend dann eine gemeinsame Austauschparty:

Jede hat etwas mitgebracht, was sie zeigen und probieren möchte. Deborah und Gerhard sind auch da. Arnita und Janna übernehmen die Moderation.
Es beginnt sehr physisch mit Aerobics. In den Grundschritt bauen sich die typischen Gesten von Wicki ein, die diesmal nicht durch Wicki, sondern durch den Rest der Gruppe performt werden.
Dann wird der Raum dunkel und wir benennen Objekte, die in uns Horror auslösen: zu enge Strumpfhosen, Bügel-BH’s, Lätzchen mit Auffangtasche, ungewaschene Teetassen mit Rand, die Jeans, die einfach zu eng sitzt, die angeknabberte Pfeife vom Vater, Rasierer, neue Autos mit Vanille-Wunderbaum, Rollkragenpullover, Fahrradhelme mit Wassermelonenmotiv, …
Wir probieren erneut die szenische Fragestellung nach dem ‘normal’. Deborah schaut zu und Arnita hat neue Fragen entwickelt und sie zusammen mit den alten in einer neuen Reihenfolge angeordnet. Spannend ist es nach wie vor den Prozess zu beobachten, indem die Performer*innen entscheiden, wie sie reagieren wollen. Wenn die Fragen schon bekannt sind, ist dieser Prozess weniger sichtbar: Kann man den Entscheidungsprozess faken oder braucht es jedes Mal neue Fragen?
Arnita spielt uns eine Tonspur vor, auf der Madita erzählt, was sie sieht. Später sehen wir eine Reihe von Bildern mit vielen unterschiedlichen Abbildungen von Körpern. Es sind die Bilder, die Madita zuvor beschrieben hat. Es entsteht eine Art doppelter Blick: ich sehe etwas und erinnere Fetzen von dem, wie Madita das gleiche Bild zuvor beschrieben hat.
Liza inszeniert Arnita, Janna und Wicki. Eine liest einen Text über Wut, eine macht chemische Experimente mit explodierendem Material, eine experimentiert in der Bewegung mit ihrem Körper mit den Begriffen “implodieren” und “explodieren”. Rollenwechsel. Arnita erzählt von den fliegenden Teller von Soraya Chemaly’s Mutter.
Zwischen den einzelnen Versuchen machen wir Feedbackrunden. Es wird ein langer Abend. Danach auf ein Bier mit Deborah.

Weitere Eindrücke von der Woche:

Wut ist weiter auch ein Thema im Austausch mit Madita: Was macht sie wütend? Und wie reagiert sie darauf?

Sitzen am Rhein und das schnelle Wasser an sich vorbeiziehen lassen. Manchmal schwimmen noch ein Baum oder andere sehr große Dinge vorbei, das Hochwasser geht aber langsam zurück, das Wasser wird klarer und die Stadt beginnt wieder sich am Wasser zu versammeln.

Ins Kino und Museum und den richtigen Arbeitsplatz finden.

Abends immer noch eine Comedy Show nach der anderen suchten.