KÖRPERLICHE WECHSELWIRKUNG
In unserer letzten Stipendiums Woche haben wir einen neuen Aspekt bei der Improvisation ausprobiert. Während wir beide frei im Raum tanzen, versuchen wir die Bewegungen der anderen zu übernehmen und nachzutanzen.
In den ersten Versuchen haben wir festgelegt wer führt und wer folgt. Je nach Dynamik der Führenden entstanden verschiedene Bilder: Bei langsamen Bewegungen entstehen Momente der Synchronität und Symmetrie, bei schnelleren
Bewegungen werden Impulse der einen Tänzerin zeitversetzt bei der anderen Tänzerin wahrgenommen. Es entsteht ein visuelles Echo.
In der Improvisation ist uns aufgefallen, dass wir zwischen zwei verschiedenen Arten des Nachtanzens gewechselt haben:
Einerseits das „parallele“ Folgen – d.h. räumlich die Gliedmaßen in dieselben Richtungen zu bewegen.
Andererseits das „Spiegeln“ – d.h. räumlich zueinander im Verhältnis bewegen (als ob zwischen uns ein Spiegel stehen würde).
Bei weiteren Versuchen haben wir die Führungs- und Folge-Rolle immer mehr aufgelöst, sodass improvisierte Wechsel stattfinden konnten. Außerdem haben wir
die Aufgabe des „Spiegelns“ und „Nachtanzens“ ein wenig losgelassen und kleine Momente der Unabhängigkeit zugelassen oder nur einzelne Aspekte einer Bewegung oder Form der anderen übernommen.
Insgesamt haben wir durch diese Recherche eine reiche Bandbreite an Bewegungen gefunden, die eine körperliche Wechselwirkung veranschaulichen.
In Bezug auf unsere Inspirationsquelle in der Quantenmechanik:
Zustände von Teilchen werden nicht nur durch Beobachtung festgelegt – sondern sie können auch durch ein anderes Teilchen „beobachtet“ werden. Zwei Teilchen legen sich somit gegenseitig fest und stehen in einer Wechselwirkung zueinander.
AN ZWEI ORTEN GLEICHZEITIG
Ein weiterer Aspekt den wir untersucht haben, ist wie wir zusammen tanzen können, wenn sich eine Tänzerin im Bühnenbild befindet und die andere im offenen Raum.
Zuerst haben wir versucht unsere vorangegangene Bewegungsrecherche zur körperlichen Wechselwirkung in diesem neuen Setting auszuprobieren. Die Person,
die sich im Bühnenbild befindet, ist die führende Instanz, da sie nicht in den Raum blicken kann. Die Person im Raum kann je nach Lichteinstellung in das Objekt hineinschauen und die Bewegungen direkt kopieren oder sich an den Schatten der Tanzenden orientieren.
Diese Übung erwies sich als schwierig, da die Informationen, die aus dem Bühnenbild kommen, rar und oft verzerrt sind.
Wir kamen zum Schluss, dass ein synchrones Tanzen in den verschiedenen Räumen am besten mit einer festgelegten Choreografie zu erreichen ist.
Als Nächstes haben wir im gleichen Prinzip- eine Tänzerin innerhalb und eine Tänzerin außerhalb des Bühnenbilds- an Kontaktimprovisation geforscht.
Die Herausforderung lag in der fehlenden Sichtbarkeit der Partnerin: beim Anlehnen oder bei Hebungen mussten wir viel miteinander sprechen, damit wir die
richtigen Griffe und das Vertrauen zueinander finden konnten.
Nach langer Recherche entstanden interessante Bilder der Überlappung (die Tänzerin im Bühnenbild ist als Schatten- Abdruck hinter der anderen Tänzerin
sichtbar). Außerdem konnte durch verschiedene Hebungen die Illusion entstehen, dass die Tänzerin außen im Bühnenbild schwebt.
SUBJEKTIVITÄT VON BEOBACHTUNG
Im Laufe unserer Recherche beschäftigte uns immer mehr die Realität, dass unsere Beobachtung nie objektiv sein kann. Wir haben uns gefragt, durch welches
Element oder Experiment man dies gemeinsam mit einem Publikum erfahrbar und erkenntlich machen könnte.
Was als ein Improvisationsspiel begonnen hat, wurde für uns mehr und mehr zu einem Katalysator für genau diese Thematik:
Eine Tänzerin ist jeweils in der Rolle der Beobachterin, die andere in der Rolle der Improvisierenden.
Anfangs stellt die Beobachterin laut Fragen an die Improvisierende gerichtet, doch für alle anderen Anwesenden gut hörbar.
Hier haben wir mit vielen verschiedenen konkreten bis hin zu abstrakteren Fragen gearbeitet und am Ende eine Mischung aus sechs Fragen festgehalten:
1) Was denkst du gerade?
2) Wie schwer ist dein…? (Lücke jeweils spontan mit einem Körperteil ausfüllbar)
3) Bis wohin kannst du deinen Atem verfolgen?
4) Wo stellst du die gerade vor zu sein?
5) Wie alt fühlst du dich?
6) Aus welchem Körperteil generierst du deine Energie?
Die Beobachterin hat die Improvisierende genau betrachtet und anhand ihrer Bewegungen die Antworten zu den Fragen erdacht und auf einem Blatt notiert.
Nach den sechs Fragen wurden die Rollen getauscht: Die Beobachterin improvisiert nun und die eben noch Tanzende wird zur Beobachterin. Jedoch liest nun die neue Beobachterin die frisch notierten Antworten laut vor, welche von der ehemaligen Beobachterin nun vertanzt werden.
Wir haben diese Improvisation- Übung im Laufe der Woche mit einem ersten Publikum (unserer Mentorin und Hedda) getestet.
Die Erkenntnisse waren sehr aufschlussreich und spannend: Als Publikum haben die beiden sich ihre persönlichen Antworten zu den laut gestellten Fragen erdacht und wurden dann mit der einen, laut vorgelesenen, subjektiven Perspektive und Realität konfrontiert.
Gleichzeit kommt der Faktor mit dazu, dass die improvisierte Version der Antwort zweiten Tänzerin eine ganz andere Form und Qualität als die der ersten Tänzerin haben kann, jedoch auch ein paar verbindende Elemente beinhalten kann.
Wir haben viel Potenzial in dieser Art der Darstellung und des Experiments empfunden und uns dazu entschieden, es mit dem Publikums des MakingOFFs zu teilen.
Riskant an dieser Szene ist jedoch, dass es nicht ganz durchschaubar sein kann, dass die vorgelesenen Antworten live aus der ersten Improvisation hervorgegangen sind.
Wir haben viel Lust bekommen, an der Thematik noch weiter zu forschen und noch mehr damit zu experimentieren.
MAKING OFF
Bei Überlegungen über das „Making Off“ als Abschlusspräsentation unserer dreiwöchigen Forschung, haben wir uns für vier verschiedene Ausschnitte und
Themenbereiche unserer Recherche entschieden.
Mit Hilfe unserer Mentorin Mareike und der Theaterleitung Hedda und Heinz haben wir uns eine Struktur für das Programm überlegt, welche unsere Forschungsarbeit am besten unterstützen und die aktive Beobachter-Rolle des Publikums intensiv
mit einbeziehen kann.
1) Das Unbeobachtete: Die Überlagerung von Zuständen und die Superposition (Bewegungen im Bühnenbild, Eindrücke durch Schatten und leichte Transparenz
der Wände)
2) Zwischenzustände: Zwischen innen und außen. Wer beobachtet wen? (Spiel mit Entpuppung einzelner Gliedmaßen, Kokons durch einwickeln in den Stoff, Bilderrahmen: Improvisation mit Blicken und Haltung)
3) Die Subjektivität von Beobachtung (Improvisation mit laut gestellten Fragen)
4) Definition durch Beobachtung: Die aktive Rolle des Publikums (Choreographie abgestimmt auf das Öffnen und Schließen der Augen beim Publikum)
Die verschiedenen Ausschnitte basieren, bis auf die letzte Szene, auf strukturierter Improvisation. Mit dem Feedback unserer Mentorin als „outside eye“ haben wir
verschiedene Dynamiken und Intentionen immer weiter herauskristallisiert.
Außerdem haben wir in Zusammenarbeit mit dem Team verschiedene Lichtstimmungen getestet und untersucht, welche Art von Lichtquelle unser Gefühl beim Tanzen sowie die Wahrnehmung des Publikums während des MakingOFFs am besten unterstützt.
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