Logbuch Woche 3:
Montag 14.10.2024
Woche 3: das Myzel ist abstimmungsmüde und unausgeruht. Wir wollen uns einzeln und gemeinsam in etwas hineingraben. Wollen einen Pilzchor aus Cheerleading Hyphen, eine Pilzkonfessionbox, wollen die Schauplätze des Patriachats besser verstehen. Denn das ist notwendig um sie sachgerecht zu kompostieren und den Nährwert seines Humusses zu begreifen.
Nachmittag: Zu Ambientsounds bewegen wir uns durch den spekulativen Raum. Wir sprechen im “wir” “Fühlt ihr auch das der Boden weich und matschig ist?” “Es ist schwer sich fortzubewegen.” “Wir mögen das dämmrige Licht”
Dann probieren wir uns im Instant Gaming. Drei Menschen gehen auf die Bühne und entwickeln ein Spiel ohne verbal miteinander zu kommunizieren. Es entstehen Fragezeichen und Längen. Wie viele Wiederholungen braucht eine Regel?
Dienstag 15.10.2024
Am Dienstagmorgen zuerst: Wir vernetzen uns. Eine Gruppe tschechischer Theaterschaffender ist zu Besuch im Meta Theater. Staunend hören wir von der tschechischen Pilzsammelkultur. Alle Generationen sammeln Pilze, es gibt Familienpilze und Familienpilzrezepte.
Am Dienstagmorgen danach vermuten wir: Das Patriarchat schlägt zurück. Und zwar mehrfach. Zweifache Autopanne, unterbrochene Arbeitszeiten, unvorhergesehene Kosten, kranker Besuch und ein Wasserschaden in der Wohnung lassen uns deutlich werden, dass unsere Arbeit von äußeren Faktoren abhängt. Von Räumen, von Geldern, von Fürsorge untereinander und uns selbst gegenüber, von denen die uns den Rücken freihalten und uns Ratschläge geben. ‘Danke Papa, Ciao’ nach einem guten Rat vom Vater am Telefon ist nicht gleich Patriaciao, aber das gehört auch dazu: die Strukturen, in denen wir arbeiten sind Teil des Patriarchats, durchziehen alles. Wir haben uns vorgenommen, das Myzel in diese Strukturen zu schicken um zu kompostieren. Eine Frage die uns umtreibt: Welche Nährstoffe enthält das Patriarchat bzw. wie lässt sich toxisches zu einem Nährboden für Fürsorgliches transformieren?
Später dann Stimme und Sounden am Boden als Myzel, wir wachsen zueinander und nach oben zu Fruchtkörpern. Ein Sinken und Wachsen, immer im Wechsel, drei auf der einen Ebene, eine allein auf der anderen. Fluide morphend – wir sind nah und beieinander gut aufgehoben.
Mittwoch 16.10.2024
Geplant ist eine Spielekonvention. Plötzlich verstricken wir uns in einem Gespräch über unsere Kollektivstruktur und der Frage nach Inventur. Wann nimmt das Kollektiv sich die Zeit für die Pflege und Fürsorge von fortlaufenden Aufgaben, wann ist Zeit den Wust der letzten Jahre zu sortieren? Da musste was raus.
Am Nachmittag verstricken wir uns wieder. Diesmal war es der Plan. Reta nimmt uns mit in die Welt der Fadenspiele und das SF von Donna Haraway. SF steht für: String Figures, Science Fiction, Speculative Fabulation, so far. So far. Zuerst formen wir mit drei Handgriffen einen Hexenbesen zwischen unseren Händen. Wir spielen mit roten Wollfäden, zu zweit und erzählen uns dabei von Pilzen, Fürsorge und Körperwahrnehmungen. so far. Einige von uns haben die Fadenspiele noch in den Fingern, aus Kindheitszeiten. Für Reta sind die Fadenspiele unbekannt. Katze denkt über das Üben als Teil eines Spiels nach. Wie sich das Geübte in unseren Körper und Gehirnen einrichtet und dort über Jahrzehnte eingespeichert sein kann.
Katze leitet ein spekulatives Spiel an. Wir schreiben in den Phasen des Myzels, Patriarchats und des Komposts, aber zu letzterem kommen wir nicht mehr. Das schreibende Spekulieren wechselt sich mit szenischem Performen ab. Jede* hat einen Charakter. Das Zeitalter des Myzels scheint erstmal harmonisch, wir lernen unsere Charaktere besser kennen und wie sie so mit anderen in Kontakt gehen. Im Patriarchat dagegen wandelt sich der Hexenröhrling in den Herrenröhrling bzw. das Herrengewächs, bekommt einen VIP Platz im Wald angeboten, wird von Securities bewacht und stört fortan das Myzelnetzwerk. Im Telefonat mit Ursula K Leguin wird die messy Marie Kondo Liebhaberin Frau Percht gewarnt und der vom Totholz-Zersetzen überarbeitete Igel-Stachelbart und der sich im Panikwachstum befindende Spitzkeglige Kahlkopf versuchen den Herrenröhrling umzustimmen.
Am Ende des Tages teilt Esther einen Gedanken: das Wort “Spiel” auch zum Wort “spielerisch” werden zu lassen und wie die Verschiebung eine neue Haltung für uns ermöglichen kann. Unserem Tun und unserem Konzept gegenüber.
Donnerstag 17.10.2024
Wir dokumentieren die Messyness. Was die letzten zwei Wochen als Sporen durch den Raum geflogen ist wird kollektiv eingefangen auf Zetteln. Wir kommentieren einander und halten fest, was uns in Erinnerung geblieben ist. Eine reiche und diverse Ernte. Wir haben einen Beutel gefunden aber noch ist der Sack nicht zu.
Nachmittags lesen wir einen Artikel von Ella von der Haide im Missy Magazine. Unter anderem geht es um das Sammeln als archaische feministische Praxis. Yummy. Das Myzelium streckt seine Hyphen aus. Abends gibt es Schwammerlpasta.
Freitag 18.10.2024
Ein langer Spaziergang durch den Wald, wir bestaunen Moose und liegen darin. Am Ende erreicht uns eine Nachricht von Ella von der Haide: “Wollen wir uns treffen?” Ein Mykorrhiza-Moment?
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