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Logbuchsurfen

gemeinsam mit Rabea unserer Mentorin nutzen wir das Logbuch der vergangenen Tage, um uns zu vergegenwärtigen, was wir gemacht haben und einen Überblick über Tracks und Herangehens-weisen zu bekommen. Um damit die Beziehung der Teilschritte auf unsere Leitfragen zu beziehen.
Einige Punkte, die uns sehr beschäftigt haben:

Technik
wir haben verschiedene Pfade in unterschiedlichen Medien angelegt: 3D-Modell, Sound, Video, Text → weniger kam bisher Körper vor

→ Wie stellen wir uns ihr gegenüber ins Verhältnis? Welche Regeln haben wir für die Technik?Welche Rolle soll Technik für uns spielen? Was wäre ein radikales Verhältnis? → selbstbestimmt der Technik begegnen; wir wollen sie uns nicht nur (im Sinne einer Hauptaufgabe), aber auch zu eigen machen.

Plaza Dance
→ interessant aus verschiedenen Perspektiven:

-öffentlicher Raum wird angeeignet, hat Verwandtschaft mit Turnen auf Plätzen in sozialistischen Ländern

→ Wie können Render Ghosts mit Plaza Dance verbunden werden? z.B.: aus Render Ghost-Posen eine Plaza Dance Choreografie entwickeln; Möglichkeit auch andere Menschen als Expert*innen von Gesten befragen

Körper/Norm/Identifikation
Ausgangsfrage: Wie können wir unsere Körper auf der Bühne unheimlich werden lassen?

→ biografische Elemente: wie individuell sind unsere Körper überhaupt greifbar oder verfällt mensch dann schnell ins Allgemeine? interessanter wäre es durch das Biografische das
„Normale“/„Universelle“ hervorzubringen, anstatt das „Individuelle“/„Originelle“
→ Frage aus Theaterwelt: Was hat der weiße Körper (noch) auf der Bühne zu suchen? Was erzählt er uns, was will er erzählen, was nicht schon ausgelutscht ist? Gibt es die Berechtigung etwas zu wiederholen? Welche Fragen stellen sich ihm?
→ Identifikation-> warum sollte mensch sich nur mit denjenigen identifizieren können, die
gleich/ähnlich aussehen?- kann Identifikation nicht auch darüber hinaus statt finden? Oder kann sonst ein anderes Verständnis etabliert werden?
→ Ist der zukünftige Körper einer, der alle möglichen Identifikationsmöglichkeiten bietet?

Repräsentation
→ in der Gegenwart zu bleiben ist weniger produktiv: aus der Zukunft in die Vergangenheit( ins Jetzt) blicken; oder andere zeitliche Perspektiven probieren → durch den Blick in die Zukunft wird auch schon etwas Anderes mitgedacht und nicht nur das Jetzt bedauert
→ wir haben einen Zweifel daran, dass die Zukunft klassenfrei sein wird, es keine Privilegien mehr gibt, weil es allen gut geht ( so wie es die Modelle suggerieren) – und dennoch formulieren die Modelle auch eine Hoffnung/utopische Gedanken, und erscheinen dadurch harmlos
→ wer wird überhaupt in den Modellen repräsentiert? – und was ist unsere (theatrale) Position dazu? (Frage die möglicherweise auf uns zukommen wird)
→ Warum sind wir diejenigen, die in der Modell-Utopie überlebt haben und Obdachlose nicht?
→ sind wir nicht jetzt bereits real gewordene Render People, weil wir in geplanten Städten und Gebäuden leben?

Architektur
→ Gebäude, Umgebung, Architektur – welche Rolle spielt sie für uns und die Render Ghosts?
→ the virtual is real → das Virtuelle, die Visualisierung ist schon da und hat bereits direkten Einfluss – ist nicht das Andere oder das Nicht-Reale

wertvolle Reminder:
-auch an Punkte kommen, an denen wir nicht weiter wissen und das aushalten und weitermachen
-auch nachdenken und über Ideen brüten gehört dazu!

Probe

Teil 1 – Kombination
In der Probe sind drei von uns auf der Bühne. Eine Person im Publikum mit dem Regiemikro.

Auf der Leinwand sind Bilder von zukünftigen Architekturen zu sehen. Auf der Bühne liegen Zettel mit Satzanfängen wie:
-„Ich schäme mich, dass…“
-„Du bist jemand, der/die…“
-„Meine größte Angst ist es…“
-„Wenn ich nicht gesehen werde, heimlich…“
-„Bei den anderen beobachte ich…“
und weitere…

Teil 2 – Choreo
Wir suchen uns eine Übung aus der Sammlung an Aufgaben aus, die wir im Vorhinein zur Residenz erstellt haben: „Erarbeite eine Choreografie zu deinem Lieblingssong, in der du deinen Körper nicht bewegst“
Nach dem Schnellschussprinzip geben wir uns eine halbe Stunde Zeit, um einzeln kleine Performances zu entwickeln.

Teil 3 – Körperteil
Wir überlegen uns einzeln, welches Körperteil wir die nächste Stunde nicht benötigen, geben ihm einen Namen und beschreiben die geografische Lage dessen auf unserem Körper plus ein paar Vorlieben, was es besonders gerne mag und drei Regeln, wie es auf jeden Fall behandelt werden soll. Wir wählen eins aus und machen dazu eine Improsession und einzelne Schnellschussperformances.
→humoristisches Potential, könnte nochmal einen ganz anderen Zugang zu den erstmal unbeweglichen render ghost Figuren sein. Das Isolieren/Extrahieren eines Körperteils macht den Körper als Ganzes komisch.

Teil 4 – Pixelschweifschatten im Theater
Versuch, die Schweifschatten aus Webcam-Videos, bei denen der Gang eines Menschen nicht schnell gernug verrechnet wird, auf die Bühne zu übertragen. Verschiedene Bewegungs-Versuche mit einem „Schatten“ aus Personen (1 Person führt, 2 Personen fügen ganz dicht und bewegen sich auf dieselbe Art wie die führende Person)
→ je schneller die Bewegungen, desto weniger achtet man auf die einzelnen Personen und mehr auf den Schweif-Effekt
→ Versuche mit Stolpern, Ablösen, Freeze & Wiederaktivierung, Richtungswechsel, rückwärts Laufen, Requisiten (Plastiktüte)

Teil 5 – Kopfhörer-Improvisation
Aufgabe: Alle schreiben einen 5 minütigen Score, der anschließend über Kopfhörer von jeweils einer Performerin gehört und ausgeführt wird. Der Score soll einen Handlungsablauf für einen Render Ghosts auf einem Modellplatz entwerfen; möglich sind Bewegungsvorgaben, Nachsprechen von Text etc.
1. Runde: Die Scores werden gleichzeitig & unabhängig voneinander ausgeführt, anschließend werden die Kopfhörer weitergegeben und die Scores erneut von einer anderen Person ausgeführt.
2. Runde: Ein Score wird laut abgespielt und alle führen ihn gleichzeitig aus.

Teil 6 – Aufnahmen in der Modellwelt Hafencity
Aus einer bereitgestellten Render Ghost Auswahl wählt jede*r eine Person und ihre Pose aus. Wir fahren in die Hafencity und drehen dort an einem Platz eine 15 min Aufnahme, in der wir alle im Bildausschnitt verteilt für 15min in der Pose der ausgewählten Render Ghosts verharren.
-> Wir verwenden diese Aufnahme als Projektion im Bühnenraum und probieren mit uns als physisch auf der Bühne anwesende Double verschiedene Imitationen des Videos aus: 1. Nachstellen im Bühnenraum // 2. Übernahme der Pose einer anderen Person // 3. langsam, aber ständig in Bewegung sein und dabei von seiner Pose in eine Pose der anderen wechseln // 4. erneut mit dem „Schweif“ Prinzip imitieren 2 Personen die Bewegungen einer anderen Person.

Teil 7 – Reflektion & Resümee
Mood-Runde: Erkenntnis der schlaflosen Nacht: Geister könnten auch Verbündete sein; einem vielleicht sogar Botschaften überbringen wollen/können
Zu Teilen haben wir den Eindruck, einerseits nach 1,5 Wochen mit dem bisherigen Arbeitsrhythmus und der damit einhergehenden Suchbewegung angekommen zu sein. Es besteht der Wunsch, nun fokussierter oder konzentrierter an einem Bereich zu arbeiten. Außerdem besteht das Gefühl, dass wir schon sehr viel szenisches Anreißen und in Miniaturen ausprobiert haben. Der Wunsch nach einer Art Inventur des Erprobten und intensiveren Auseinandersetzung mit dem bestehenden Material besteht. → Wir reduzieren unsere Single-Zeit heute auf eine Stunde, um genügend Zeit zu haben ein Resümee der ersten zwei Wochen zu ziehen, unsere Strategie zu besprechen und inhaltliche und ästhetische Herangehensweisen herauszufiltern.
Vorbereitete Fragen führen uns durch das resümierende Gespräch:

– Welche szenische Übung ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?
– Was interessiert/beschäftigt dich daran?
– Welche Übung willst du gern nochmal machen/weiterentwickeln?
– Was erzählen dir die bisherigen Proben über die Render Ghosts / was hast du über sie erfahren?
– Ein Double von uns machen- welche Facetten davon haben wir bisher erkundet?
– Was möchtest du gern noch machen/ausprobieren?
– Was fehlt dir?
– Was willst du mit allen gemeinsam lesen?
– Was denkst du über den Probenraum? Wie willst du ihn nutzen?
– Was würdest du gern noch kaufen/besorgen?
Große Frage: Wir + RG-Modelle + X ?? —> was ist X? was kann das/soll das sein?

→besonderes Charakteristikum der Render Ghosts: sie können sich multiplizieren, können an mehreren Orten auftauchen ohne abzutauchen → körperlose Figuren → bei unseren physischen Körpern ist das anders, wie Foucault sagte: „Mein Körper ist immer da, wo ich bin“