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MONTAG, 11.6, MENTORING TAG

Unsere dritte Flausen-Woche beginnt mit einem ausgedehnten Mentoring-Tag mit Rabea.
Für die erste Hälfte haben wir zwei Aufbauten zum Proben vorbereiten. Die zweite Tageshälfte gibt uns Rabea Einblick in ihre Arbeitsformen und hat Aufgaben für uns entwickelt, die wir gemeinsam durchführen.

1. Tageshälfte: Ortsbeschreibungen und Körperbeschreibungen- & Poesie
Aufbau 1: Jede von uns hört eine Audiospur auf Kopfhörern. Die Spur beschreibt jeweils drei verschiedene Orte (ein Memorial als Erinnerung an die Abschaffung der Sklaverei, der Firmensitz von Air b´n´b und Google, und das Areal einer Moschee in Algier). Unsere Aufgabe ist es, die Anweisungen der Audiospur zu befolgen und den Text laut nachzusprechen. Dabei sind unsere Augen mit Schlafmasken verdeckt. Auf der Leinwand läuft ein Screen-Video, bei dem in die jeweiligen Architekturmodelle soweit reingezoomt wird, dass nur Details erkennbar sind.

→ Schwebemomente spannend: Wenn nicht klar ist, in welchem Raum sich die Performenden gerade befinden, man aber gewisse Dinge wiedererkennt. Wenn nicht klar ist, von wem die Körper gesteuert werden
→ Komikmomente

Aufbau 2: Wir begeben uns in Render Ghost Posen (des Videos aus vergangener Woche), dazu beantworten wir Fragen, aus biografischer Vergangenheits-Perspektive, jedoch mit einer kleinen Verschiebung im Sprechen: Die Sätze gelten für die Ich-Perspektive, werden aber in der Wir-Perspektive formuliert.

– Was zeichnete eure Körper aus?
– Wovor hattest du Angst?
– Wovon träumtest du nachts?

→ Spannende Dopplung von Posen im Videobild und Posen auf Bühne, vor allem wenn sie genau ist (dieselbe Kleidung), Feststellung Gleichheit zu Render Ghosts, vier weisse schlanke Körper auf der Bühne hier sichtbarer
→ wir stellen zwei verschiedene Qualitäten des Textes fest:

1) eine beschreibende (einfache Feststellungen, das Offensichtliche sagen, genaue Beschreibungen, wie er funktioniert, wenn der Körper “normal sein” soll, Perfektionismus → Ebene des Sichtbaren, Fixierung des Normativen
2) Individuen werden hervorgehoben, andere, ungewöhnliche Perspektiven auf den Körper eingenommen bis hin zu einer philosophischen Ebene im Nachdenken über menschliche Körper, Vorgänge beschrieben, die nicht direkt sichtbar sind (Schweiss, Geruch, Organe, biografische Ereignisse am Körper) -> Ebene des Unsichtbaren, Perspektivverschiebungen (utopisches Moment?)

→ Idee die man hat erstmal durchexerzieren, lange auf der “Sichtbaren” Ebene bleiben

Fragen:

– Wieviel von Ebene 1 braucht es, um Ebene 2 etablieren zu können? Braucht es sowas wie einen Bruch, etwas was uns in eine andere Situation verfrachtet?
– Wohin soll Ebene 2 wiederum abzielen, welche Unischtbarkeiten oder utopischen Körperpespektiven?
– Wie fängt dieser Aufbau an und wie verlassen wir ihn wieder?

 

2. Tageshälfte: Mimesis, Double und biografische Zuschreibung
Rabea gibt verschiedene Übungen in die Runde, die alle ums Thema Imitation, Double, Zuschreibung kreisen.
Wir beginnen spielerisch mit Spiegelübungen, Mini-Szenen Aufbauten, wo wir uns u.a. in zweier Teams aufteilen und jeweils eine Person auf der Bühne die Handlung vollzieht, die die Sprechenden von Aussen erzählen (Aussenposition und Bühnenperformerin mimen die gleiche Person). In einem weiteren Aufbau stellt sich eine Person auf die Bühne, während die anderen von Aussen Zuschreibungen auf den Bühnenkörper schreiben (über Beamer), die die Performerin selbst nicht sieht.

→ immer wieder ein effektiver mit viel Situationskomik beladenes Bühnenmoment
→ spannendes Text-Körper-Verhältnis

Für den letzten Aufbau haben wir jeweils Fotos von der Hafencity gemacht, mit dem Aufrag, dies aus der Perspektive zu machen, wie als würde ein Double von uns da wohnen. Was würde dieses Double tun? Wir teilen uns in Teams auf: Die Person draussen erzählt anhand der Bilder eine Biografie des Körpers auf der Bühne.

→ Gefahr des Klischees: Welche Biografien werden erzählt, wie stehen die im Verhältnis zu dem, was wir denken, dass wir sind? Aber: Klischee und das Normative liegen nahe beieinander!
→ Imagination der Person spannender als die lückenlose Narration für ein Publikum
→ Überschneidung von Handlung und Text, Worte triggern Bewegung, Loslösung der Bewegung, des Objektes vom Text: Eine Person hat Helm und Mütze auf dem Kopf und bewegt diese, wenn die Person draussen, diese Objekte beschreibt, eine Person hat eine Schlafmaske auf und macht komische Bewegungen mit ihrem Kinn, die erst später kontextualisiert werden
→ Fotos sind spannend, wenn sie etwas nicht genau zu erkennen geben, Details
(undeutlicher Balkon, Kartonschachteln in einem Fenster)
→ Site Specific-Nes der Videos und Fotos als spannend markiert, Hafen City als bekannter Ort der Stadt, den alle da kennen aber so nochmals anders überschrieben wird

Die weitere Diskussion mit Rabea und Winnie dreht sich um Avatare, inwiefern diese anders beschaffen sind als Render Ghosts, inwiefern diese immer auch ein Eigenleben haben, während Render Ghosts erstmal dafür nicht vorgesehen sind. Norm: Alles läuft ohne Worte ab, aber du merkst es trotzdem!

Fragen:

– Wie wäre mein Avatar in dieser und dieser Situation? -> Nach was suchen wir, wenn wir nach den Biografien der Hafen City fragen: Nach den Momenten, die ein voreiliges Bild ebendieser brechen?
– Soll die Herstellung des Doubles, Avatars, Gegenübers sichtbar sein? Ist der Rendering bzw. Materialisierungsvorgang auch ein szenischer Vorgang?
– Wieviel Details braucht das Gewöhnliche, damit es ein Bild der Komplexität des Lebens ist?
– Wer spricht über wen RG über uns? Wir über RG? Publikum über uns? Render Ghost über Publikum? Dritte Instanz?

Im Gespräch gefallene Ideen: Kleine Wartebewegungen, mit Grössenverhältnissen spielen, Worte triggern Bewegung, andere Namen für Dinge finden, Abzieh-Menschen wörtlich nehmen, wie entsteht ein
Architekturmodell → Schritte

→ In einer Mood Runde am Ende des Tages kommt von allen das Bedürfnis nach weiterer inhaltlicher Recherche auf, die wir bewusst im bisherigen Residenzverlauf nicht so gross gehalten haben. Wir erhoffen uns dadurch nochmal eine neue Schärfung, um die szenischen Aufbauten daraufhin auswerten zu können.

– Bedürfnis nach dramaturgischen Zusammenhängen
– Bedürfnis nach ganzen Sätzen
– Bedürfnis nach weiteren präzisierten Performer*innenhaltungen (Gefahr der Wiederholung von dem, was wir “immer” machen)
– Bedürfnis nach Arbeit am Publikum: Welche Rolle spielt es hier?
– Präziser werden in der Vermittlung, was die RGs für uns sind

Bilder: HafenCity

 

DIENSTAG, 12.6. – ÜBER DEN KÖPRPER NACHDENKEN

Körper haben und Körper sein, Körper (nicht) als Eigentum

Inspiriert von verschiedenen Lektüren stoßen wir auf verschiedene Probleme der Vekörperung und der Körper: Grenzen der Verkörperung, das Verhältnis von physischen und virtuellen Körpern, Regierungsformen mit und über den Körper.

Otherkin: (Martin Beck: Otherkin)
Anhand der von Martin Beck beschriebenen Otherkin-Praktiken diskutieren wir die Grenzen des menschlichen Körpers: In welchem Verhältnis verhält sich der physische Körper zur Körper-Identität? Welche Körper-Identitäten werden als legitim und rechtmäßig, welche als fantasmatisch wahrgenommen (Was unterscheidet Transsexualität von Otherkin und Trans-Speziezismus?)

→ Oder basiert eine solche Unterscheidung nach Kriterien der “Legitimität” auf der (nicht-emanzipatorischen) Einführung einer Norm? Wie wäre aber der Wunsch nach Selbst-Realisierung und Freiheit vereinbar mit dem Vorhandensein (und der Aufrechterhaltung) einer Gesellschaft?
Bei Otherkin ist das Verhältnis von physischem Körper und Körperidentität besonders extrem: Die Identitäts-Körper können sich eigentlich nur in der Sprache realisieren, jedes andere Medium zerstört die Körper oder rückt sie in die Sphäre des Lächerlichen.

→ siehe die paradigmatischen Phantomschmerzen an Phantom-Körperteilen
→ In Otherkin-Identitäskonstruktionen wird, zumindest auf den ersten Blick, eine Sehnsucht nach Unschuld und Reinheit realisiert, die in anderen=nicht-menschlichen Körpern gefunden wird, um das grausame Feld der menschlichen Körper hinter sich zu lassen

 

Der Körper lügt nicht: (Katja Franko Aas, The body does not lie)
In der gegenwärtigen Technokultur ist der Körper nicht nur Zeichen, Leib, Repräsentationskörper, sondern auch ein Datenspeicher, der biopolitisch verwertet wird. Während Biografien fiktiv ein können, Erzählungen um die Identität gebaut werden, Lüge ein notwendiges Mittel der Selbstkonstitution ist, spicht der Körper als Datenspeicher immer die Wahrheit – wird zu einer electronic persona.

→ Das was Norm ist, wird dann nicht ausgehandelt, sondern durch Datenerhebung festgelegt
→ aber: Gibt es nicht doch Momente, wo auch der Körper “lügen” kann? (Hormon-Selbsttherapie etc.)

 

Kontrolle & (Un-)Sichtbarkeit: (Morgen werde ich Idiot, von Hans-Christian Dany)
Unheimlichkeit der Kontrollgesellschaft ist die Unsichtbarkeit ihrer Agenten, dabei dient wiederum die Sichtbarkeit von Körpern als Mittel zur Kontrolle (#Überwachung). Um dem zu entgehen, gibt es einerseits die Möglichkeit, Schutz in der Opazität zu suchen, sicher der Sichtbarkeit zu entziehen. Oder aber zu bluffen: Sich als normalisiertes, reguliertes Subjekt auszugeben (#Passing), und dadruch nicht aufzufallen. → Lassen sich die Render Ghosts als Agentinnen des Widerstands denken, die Expertinnen im bluffen sind?

virtuelle Körper: (A.R. Stone: Möge sich der wirkliche Körper bitte erheben & Cécile B. Evans)
Bericht von der fiktiven Online-Person Julie (eine ältere, köperlich stark beeinträchtigte Person), die mitte der 80er Jahre zu einer Netz-Ratgeberin für viele Frauen wurde – die Offenbarung, das Julie nicht existierte und lediglich die Online-Persona eines männlichen Psychiaters war, war ein Schock, und viele der Frauen revidierten ihre Beziehung zu Julie. –> Aber war Julie dadurch weniger real? Warum wird die Frage des Betrugs so stark an den physischen Körper gebunden? Auch hier spielt scheinbar eine Rolle, dass man davon ausgeht, dass Körper nicht lügen … ?

Körperlosigkeit:
Körperlosigkeit kann in verschiedenen Formen auftreten: Die Otherkin haben noch keinen Körper, die Render Ghosts haben keinen Körper mehr, ihr Körper ist entortet.
Der reale Körper ist den Körpergeistern entzogen, damit der Körper zum Zeichen werden kann.

Fragen:

– Von welcher Gewalt / Von welchen Gewalten erzählen Körper? In welchen Formen können Körper erzählen? (Spuren – Narben, Bewegungsmuster, Verhaltensweisen, )
– Ist der Körper selbst eine Gewalt?
– Welche Körperveränderungen werden als legitim und “normal” erachtet, welche gelten als Ausnahmen oder Absonderlichkeiten, und welche werden nicht anerkannt bzw. als fantasmatisch eingestuft?
– Welche Vor- und Nachteile bringt es mit sich, keinen Körper zu haben — im real physischen Sinn, aber auch im im Diskurs?
– In welchen Momenten erleben Menschen eine (vorübergehende) Körperlosigkeit?
– Welche Momente körperlichen Kontrollverlust gibt es?

zurück zu den Render Ghosts:

Die Architekturmodelle zeigen oft nur einen sehr kleinen Teil der Menschen einer Gesellschaft: Auf den Plätzen, in den Straßen, in den Foyers und Schwimmbädern der Zukunft sind vielfach lediglich die Jungen, Erfolgreichen, Beschäftigten, Normschönen

Menschen zu sehen, die wohl in den wenigsten Fällen einer Arbeit im materiellen Bereich nachgehen. Unser Anliegen könnte es also sein, diesem engen Ausschnitt die Heterogenität der Gesllschaft entgegenzusetzen: mit all ihren unterschiedlichen, widersprüchlichen und teilweise konflikthaften Bedürfnissen, Erfahrungen, Lebensrealitäten, Hoffnungen und Haltungen.

→ wir müssen DIE VIELEN zum sprechen bringen, als Medien
→ die Render Ghosts könnten dabei als tatsächliche Abziehmenschen fungieren, die Gefäße für die Identifikation vieler sind (ihre Normhaftigkeit quasi nur ein Bluff ist, um Zurtritt zu den Zukunftsvisionen der Autoritäten zu erhalten)
→ aber agieren wir dann aber nicht nur wieder als Stellvertreterinnen im konventionellen Sinne?
→ hier kommen wir wieder zum Grunddilemma: Geht das mit unseren (jungen, weißen, schmalen) Körpern? Oder bräuchte es andere, oder gar keine Körper dafür? (wobei es dann immer noch unsere Autorinnenkörper gibt)

 

MITTWOCH, 13.6 GROSSE DISKUSSION, VERMEINTLICHER STILLSTAND

Als Start in den Tag machen wir nochmal zwei unserer Mini-Aufgaben:Wir üben in 10min einen fake Akzent ein und tragen in diesem Akzent eine Passage aus dem Freitag vor. Das entstehende ist meist witzig, aber die gesetzte Zeit dann doch recht knapp, um daraus einen stringenten Akzent zu entwickeln.
Wir haben die Aufgabe ein Objekt an uns zu binden/befestigen. Das sieht grösstenteils gut aus.

Trotzdem: Die erste grössere Krise hat uns erreicht: Wir tappen im Dunkeln und die Frage wird gross, wie weiter? Was fehlt uns grade, was ist sinnvoll, als nächstes zu tun, oder wollen wir grade gar nichts als nächstes tun und lieber kontemplieren?

Wir gehen in die Hafencity spazieren und unterhalten uns am Spielplatz darüber, warum die Proben gerade stocken. Frage: Sind wir etwas gelangweilt von unseren Probenaufbauten? Wo kommen wir nicht weiter? Die Diskussion führt uns in einem schlängelnden Bogen durch die Themenbereiche unserer Anlage und befragt nochmal das Verhältnis von Render Ghosts, Bühne, uns und Zuschauenden.
Als körperlichen Abschluss der Diskussion üben wir einmal draussen die 2. Tanzschrittabfolge des PLAZA DANCING.

DONNERSTAG, 14.6. DISKUSSIONEN

Tagesstruktur:
Diskussion über die Modi der Textimprovisation
Diskussion über das Wesen der Norm
Schreibsession

Diskussion über die Modi der Textimprovisation
Wir simulieren einen Aufbau, in dem aus dem Publikum heraus, mit Blick auf die leere Bühne, Aussagen über die angenommene Normalität des Publikums getroffen werden. Dies führt zu einer Diskussion im Dunkeln über die bisher probierten Modi der Textimprovisation.
Diese waren bisher:

– “Es war normal”: Vergangenheitsform, Perspektive aus einer unbestimmten Zukunft auf die Gegenwart (oder manchmal auch auf die Vergangenheit)
– Schreibübungen, in denen sich die Render Ghosts erinnern, wie es war, einen Körper zu haben
– Ich als Wir-Perspektive
– Wir auf der Bühne: entweder ohne spezifische Haltung oder in Render Ghost Posen

Bisher waren die Texte immer in einer Listenform – ein Prinzip von Serialität, statt eine Erzählung. Die Vergangenheitsform ermöglicht es, einen Blick auf die Gegenwart zu werfen und gleichzeitig deren Veränderbarkeit zu suggerieren. Aber: Die Zukunft, aus der zurückgeblickt wurde, war bisher nie definiert: Ist es eine Utopie? Was genau hat sich verändert? Ist das wichtig?
Offen ist zudem, wen die Aussagen eigentlich meinen: nur uns als Performerinnen? Uns als fiktive Figuren? Uns und andere, die so ähnlich sind? Und und das Publikum? Die Gesellschaft? –> es besteht in jedem Fall ein Interesse, nicht nur für uns als Singuläre zu sprechen, sondern auch andere mitzumeinen – mit welchen Strategien ist das möglich, wie können wir gleichzeitig die eigene singuläre Position nicht vergessen?Die Formulierung ” es war normal”, ermöglicht zumindest schon mal eine gewisse Verschiebung von einer rein-subjektiven Perspektive auf ein gesellschaftliches Außen.
Es gilt hier noch weiter herauszufinden, wohin die Listen führen; wie das Publikum dazu ins Verhältnis gesetzt werden kann & worin die Stärken der Listenform liegen.

Diskussion über die Norm:
In welchem Verhältnis stehen Normen, Werte und Gesetze? Welche Normen beeinflussen uns am meisten? Zu welchen setzen wir uns am ehesten ins Verhältnis (welche spielen eine untergeordnete Rolle?) Auf welche Weisen ist unser Umgang mit Normen von Scham, Stolz oder anderen Emotionen geprägt?

FREITAG, 15.6.

Tagesstruktur:
Auswertung Hafencity Video
Auswertung Kopfhörer-Aufbauten
Publikum & Unheimlichkeit

Video:
Beim erneuten Sichten des Videos, das wir in der Hafencity Oldenburgs aufgenommen haben, versuchen wir die Qualitäten und weiteren Möglichkeiten herauszuarbeiten. Wir stellen fest, dass die Dopplung in Video und Bühne uns auf simple Art und Weise zu Figuren werden lässt – wobei der Stillstand nicht als Problem, sondern als interessant erscheint. Wir halten fest, dass wir mit dieser Video-Anlage weiter arbeiten wollen und weitere Videos mit demselben Aufbau an anderen Orten aufnehmen wollen (Baustelle, Schlosspark, Shopping Mall, …). Wir kristallieren folgende Hauptfoki:

– Bewegung vs. Stillstand:
Der Stillstand ermöglicht bereits eine Form der Unheimlichkeit. Außerdem könnte er weiter ausgereizt werden: Wann wird der Stillstand zur Anstregung?Wie lässt sich der Fokus auf die Bewegungen des Stillstands
(Gesichtsbewegungen, Zittern, Schweißtperlen, Herzklopfen, Atem) richten?Lässt sich die Nicht-Bewegung pointieren, indem sie als Zwang inszeniert wird?Könnte man sie mittels Bewegungsmeldern ausstelln und nutzen?
(Bewegungsmelder, die wiederum Licht, Sound oder Texte auslösen)?
– Nähe vs. Distanz:
Das Video wirkt als Render Ghost Tableau durch eine gewisse Distanz zu den Figuren. Ist es trotzdem möglich, “nah ranzuzoomen”, auf die Ebene der Poren?(durch Bild, oder Sprache?)
– wenige vs. viele / Serialität, Vielheit:
Die Render Ghost Modelle üben nicht aufgrund ihrer Singularität, sondern aufgrund des seriellen Prinzips eine Faszination aus (und lösen Grusel aus). Nicht die einzelnen Render Ghosts sind in ihrer Einzigartigkeit interessant (das sind sie ja eben nicht!), sondern die relative Ähnlichkeit und Homogenität wird in ihrer Wiederholung interessant.

→ PRODUKTIVES PROBLEM: Wir sind nur vier Leute! Wie können wir Vielheit und Serialität herstellen, obwohl wir nur vier sind?:

– Einbindung des Publikums als Stellvertreterinnen, um “Lücken zu füllen” -sowohl auf der Bühne als auch im Video.
– Arbeit mit Objekten als Stellvertreterinnen (Faden-Geister)
– Multiplikation von uns, auf der Video-Ebene (mittels Green-Screen, OBS oder anderer Videotechniken)
– Serialität durch Bewegung: Wiederaufnahme des Versuchs, eine Render Ghosts Choreographie zu entwickeln

Text:
Auf welche Weise kann Text in diesem Aufbau eine Rolle spielen? Als Voice Over? Als Stimme aus den Objekten? Oder eher als situativer Text zwischen uns? Welche Textformen? Beziehen sich die Texte auf die verschiedenen Orte der Videos
→ hier sehen wir das größte Fragezeichen

Kopfhörer-Aufbau:
Auch die Aufbauten mit Kopfhörern betrachten wir noch einmal. Wir stellen fest, dass die Qualität hier darin liegt, dass hier die Verschachtelung verschiedener Raum- oder Zeit-Ebenen für das Publikum gezeigt und pointiert wird. Die Personen mit Kopfhörern befinden sich zugleich im Theaterraum, und an einem anderen Ort. Wichtig erscheint es hier aber, das Publikum auch an diesem anderen Ort teilhaben zu lassen — oder die Aktionen im Theaterraum als Effekte des anderen Orts spannend werden zu lassen.
Der Raum-/Zeitwechsel bedarf eines Labelings, einer Überschrift, einer Einführung, damit er als solcher vom Publikum mitvollzogen werden kann & die Lücke in der Wahrnehmung als produktiv erlebt werden kann.

Zum Zweiten stellt sich die Frage nach der Autorinnenschaft der Kopfhörer-Skripte: Gibt es eine besonders große Differenz zwischen Ausführender und Autorin? Oder sollte die Differenz möglichst klein sein: Alle hören von Ihnen selbst verfasste Skripte (eigene Erinnerungen, Selbstvergewisserungen, die Rekonstruktion eines besonders schamvollen Ereignisses der eigenen Vergangenheit)
→ diese Erinnerungen könnten wiederum die Form von Palästen der Erinnerung haben (Mnemotechnik), insofern Architekurbeschreibungen sein

Unheimlichkeit:
Bisher probierte Modi der Unheimlichkeit sind:

– Stillstand
– Sprachlosigkeit, Trennung von Körper und Stimme
– Schlafwandeln, geschlossene Augen, Befolgen geheimer Instruktionen
– Wiederholung
– Gesichtsmasken