Wir zeigen Winnie eine Szenenskizze mit einem Video und Weiterführung der Posen in den Bühnenraum mit anschliessender Kopfhörer-Bewegungssequenz. Nach dem relativ starken Stillstand der Posen scheint Bewegung erstmal eine ebenso starke Rahmung zu brauchen, damit sie dazu nicht gleich abfällt. Es begleiten uns zudem Fragen wie: Welche Mechanismen könnten Bewegung zwingend machen? Welche kleinen Veränderungen im Bild sind möglich bzw. was machen die verschiedenen Videos im Gegensatz zu einem? Wie können wir auch mit verschiedenen Objekten Verschiebungen herbeiführen? Woher kommt der Ton im Bühnenraum, wie verhalten sich die Ebenen Ton und Bild – verschoben, widersprüchlich, einheitlich? Sitzen Teile von uns auch im Publikum?
Wir ziehen ein erstes Resümé des bisherigen Prozesses: Welche Fragestellungen haben uns begleitet, wie stehen die miteinander in Zusammenhang? Welche Wörter benutzen wir immer wieder, was genau bedeuten die eigentlich? Wie lässt sich unser bisheriges szenisches Material ordnen?
1) BEGRIFFE // THEMEN
Normalität / Norm / Normativität
Wo unterscheiden sich diese Begriffe für uns?
In unserer Verwendung zielt “Normalität” eher auf eine gesellschaftliche Dimension, die Handlungen, Verhalten, Organisationsformen, zwischenmenschliche Beziehungen etc.. umfasst. Wir zielen damit oft auf eine beschreibende Qualität, die einen (gegenwärtigen) Zustand der Verfasstheit unserer Gesellschaft aufzeigen will – und damit auch zur Disposition stellen möchte.
“Norm” verwenden wir wiederum mit Fokus auf den Körper (wobei es auch viele Normen gibt, die nicht in erster Linie mit dem Körper zusammenhängen). Normen verstehen wir in erster Linie auf das individuelle Subjekt bezogen (als Aufforderung, Soll, Gebot, Vorlage – nicht als Gesetz). Normen sind wie ungeschriebene Gesetze – die nicht vom Staat, sondern von den Mitmenschen sanktioniert werden. Der kritische Blick auf Normen nimmt die Ausschlüsse in den Blick, die sie produzieren.
Was alles wirkt wiederum “normativ“? Wir verwenden den Begriff immer wieder, wenn wir über unser Forschungsinteresse sprechen – z.B., wenn wir sagen, wir hätten “normative Körper”. D.h., wir gehen davon aus, dass bereits unser Körper-Haben (abseits von den Handlungen, die dieser Körper ausführt) und der Auftritt dieser Körper auf der Bühne, eine gewisse Norm hervorbringt oder aufrechterhält. Da bleiben teilweise Fragezeichen – und vor allem die Suche nach Formen, wie diese normative Dimension des Auftritts unserer Körper verhindert/verschoben/unterlaufen werden kann.
Unheimlichkeit
Unheimlichkeit ist nicht Horror! Unheimlichkeit soll vielmehr eine Unklarheit, einen Zweifel produzieren, die Glattheit des vermeintlich Selbstverständlichen hervorheben. Unheimlichkeit soll nicht abstoßend wirken und Wegschauen auslösen, sondern die Gewohnheit irritieren und zur Begegnung mit der Irritation auffordern.
Kontrolle
Frage Wer? Wo? Wann? Wie? (Kontrolle, Regierung, Herrschaft, Macht, Kontrollgesellschaft)
Körper
Was sind utopische Körper(momente)?
Zukunft
Ist die Zukunft für uns ein utopisch zu besetzender Ort, der weniger zeitlich als räumlich oder punktuell gedacht ist? Wie stehen wir zu Zukunftsprognosen? Ist Zukunft mehr die Perspektive, die wir auswählen, um auf die Gegenwart zu blicken?
Identität / Subjekt / Biografie
(Ich und du, wir und andere / Verhandlung durch Zuschreibungen / Erinnerungen / Objekte)
Architektur
Im Feld Architektur gibt es 3 Bereiche, die bei uns in der Residenz aufgetaucht sind:
Bilder / Visualisierung / Virtual is real
Figuren
Als Allegorien, als Verdichtungsmomente, als Erzählperspektive, als Verkörperung/Verleiblichung der inhaltlichen Auseinandersetzung
2) SZENISCHE ELEMENTE
Posen:
des Gewöhnlichen, des ‘Normalmenschen’
Dauer/Zeit/Statik → Was ist das Ziel der Dauer? Zerfall oder Verfremdung (z.B. durch Zittern?)
Menschliche Skulpturen → Museum als Referenzrahmen?
Serialität:
Wie lässt sich die Vielheit, die Modellmenschen auszeichnet (viele Menschen, Wiederholungen), übertragen? Strategien der Vervielfachung – zeitlich (Wiederholung) und räumlich (Objektgeister, Videoduplizierung …) Viele Menschen auf der Bühne, verschieden-ähnliche?
Bewegung:
(Äussere) Prinzipien der Bewegung finden, Bezug zu anderen Räumen? (z.B. bei Erinnerungspalästen)
Als Gegenpol zu den Posen / zu Bildern
Text:
Wir nähern uns dem Tag des Making Off und erörtern, was wir in der Zeit bis dahin noch probieren wollen, wo wir nach den vier Wochen enden möchten.
Zunächst wollen wir uns das Format erschließen, finden andere Begriffe wie „Werkschau“, „offenes Atelier“ oder „öffentliche Probe“, die uns helfen das Making Off nicht als Aufführung zu behandeln, sondern als Einblick in unsere Arbeit und als Möglichkeit des direkten Feed-Backs von Zuschauenden.
Wir entscheiden uns von drei Sequenzen auszugehen, denen wir unterschiedliche Schwerpunkte geben wollen:
– Bewegung
– Text
– Video
Vor allem auf textlicher Ebene und auf der Ebene der Bewegungen sind wir bisher noch nicht zu einem Pfad gekommen, der uns kohärente inhaltliche Verarbeitungsmöglichkeiten bietet und wir beschließen, uns gerade deshalb diesen Ebenen noch intensiver und konzentrierter zu widmen, um auch dort Weiteres rausfinden zu können.
Wir sprechen ausführlich über unsere bisherigen inhaltlichen und formell ästhetischen Ergebnisse und Wege. Wir schlüsseln die verschiedenen Ebenen der einzelnen Probenideen auf.
Und planen weitere Versuche mit der Videosequenz:
Für die Proben sind immer zwei von uns auf der Bühne und zwei im Publikum, um auf beiden Ebenen gleichwertig aufmerksam sein zu können.
Um die anfängliche Qualität der Schnellschuss-Performances beizubehalten, widmen wir uns nochmal einer Aufgabenstellung, die wir einzeln angehen: „Entwickle eine Performance mit einem Satz von Jenny Holzer´s Schildern und Objekten.“ Wir stellen fest, dass solche Aufgaben zu Beginn eines Arbeitsprozesses oft etwas unbedarfter ablaufen, während sie in fortgeschrittener Arbeit komplexer werden (wollen/sollen).
Gemeinsam mit unserer Mentorin Rabea (Samstag) widmen wir uns eines erneuten Zwischenresümees des Forschungsprozesses. Unter den vier Schlagworten Inhalt, Form, geheime Fragen und Schatzkiste sammeln wir in Einzelarbeit unsere Gedanken und tragen sie anschliessend zusammen.
INHALT
Welche inhaltlichen Fragestellungen und/oder thematischen Felder und Setzungen haben dich während des Prozesses am meisten beschäftigt und sind dir am wichtigsten?
Auf welche Weisen durchkreuzt Politik den Körper? (Normen, Körper als Produktionsmittel, Biopolitik) Ist es möglich, diese Durchkreuzungen als eine geteilte Erfahrung (als eine geteilte Verwundbarkeit) bewusst zu machen?
Welches Potential (und welche Gefahren?) liegen in der Neuerfindung von Identitäten und Biografien?
Unterschiedliche Qualitäten des Unsichtbaren: Wo liegen Unterschiede zwischen dem Unsichtbaren, dem scheinbar Unsichtbaren, dem Durchsichtigen, dem Nicht-Materiellen, den nicht erfassbaren Formen?
Welche Rolle schreiben wir unseren Normalkörpern auf der Bühne zu, im Diskurs um normative Körperbilder und Ausblick auf die Zukunft?
Wie sprechen wir über unsere und andere Körper auf der Bühne?
Wäre es besser, wir hätten gar keine Körper? Oder Identität wäre vom Körper entkoppelt?
Wie wird das Recht des Unausprechlichen argumentiert? Kann Sprache als das gemeinsame Material gelten?
In welchen Momenten wird ein “Weiter-So” der Normalität erschüttert oder ausgesetzt? Lässt sich so eine Krise auf der Bühne erzählen oder re-inszenieren? (z.b. bei den Tottenham Riots und den Looters)
Otherkin: Subjektivität vs. Gesellschaftsvertrag – Momente, bei denen dieses Verhältnis in Konflikt gerät
FORM
An welchen szenischen Formen und Strategien möchtest du dranbleiben? Welche Versuche sind dir am stärksten in Erinnerung geblieben?
Bewegungsmelder, spielerisches Kontrollsystem auf der Bühne
Szenen, in denen Figuren auftreten oder erahnbar werden (Motorraddhelm, Rendering-Prozess, tanzender Arm)
Gibt es noch andere Möglichkeiten, das Publikum als Leerstellen-Kreative zu aktivieren, außer durch Imaginationsübungen
GEHEIME FRAGEN
Fragen, die dich während des Prozesses beschäftigt haben, die aber bisher keinen Platz hatten:
SCHATZKISTE
Formen, szenische Strategien und Ansätze, die toll waren, aber noch nicht zu Ende gedacht sind und erst mal nicht weiter verfolgt werden:
Am letzten Tag vor dem Making Off geht es für uns darum, uns zu sortieren und den Ablauf des nächsten Abends festzulegen.
Fest steht:
Wir wollen eine Sequenz mit den Bewegungsmeldern zeigen.
Und suchen nach Möglichkeiten, Figuren vorkommen lassen zu können.
Besonders interessieren uns Figuren, die bzw. deren Körper in einer Krise mit der Umgebung stehen. Nach einem gemeinsamen Brainstorming über Figuren, die uns bereits begegnet sind und während des Prozesses beschäftigt haben, gehen wir in eine 20 minütige Übung, in der wir jede(r)
einen Steckbrief einer möglichen Figur entwerfen.
Als potentielle Rahmung wählen wir vorübergehend einen Zirkus aus. Hier treten die einzelnen Figuren auf, werden von einer Ansage angekündigt und haben unterschiedliche Qualitäten, hängen also auch an unterschiedlichen Inszenierungsstrategien.
Dabei entstehen die Figuren: Norm, Anonym (ein Looters Girl), Publikum Publika, eine Box mit Erinnerungen u.a. Wir bemerken, dass die Bedingungen der Figuren noch zu undefiniert sind, um sie vielschichtig zu entwerfen.
Dann unterbrechen wir unsere Probe mit einem Gespräch mit Winnie über den folgenden Abend. Er erinnert uns daran, dass der letzte Tag auch noch ein Forschungstag ist, und das Publikum auch kommt, damit wir dringende Fragen an sie richten können. Er berichtet uns von vorherigen Making Offs und den gewohnten Ablauf.
Im Anschluss ordnen wir all unsere bisherigen Szenenproben und entwerfen so den Plan für die Sequenzen, die wir zeigen wollen.
Dann zeigen wir uns kleine Mini Szenen, die wir einzeln erarbeitet haben, und noch nicht geschafft hatten zu teilen. Sie schlossen an die Aufgabe an, einen Satz von der Künstlerin Jenny Holzer in eine Szene zu überführen. Ausgewählt wurden die Sätze:
Dieser Satz stand auf einem Schild, in der Hand der Performerin, daneben eine Packung Milch, beides in der Mitte eines Stuhlkreises, sobald sie mit Milch angespuckt worden war, nahm sie ein Mikrofon und stellte sich vor, als Julie, als die Stimme des Psychiaters und Erfinders Julies.
Dieser Satz erschien als Untertitel in einem Video in dem eine Frau Übungen macht, um einen Handstand zu üben. Dazu war eine Performerin auf der Bühne, die auf einem Tisch Übungen machte, die ihr auf andere Weise ermöglichten den Boden nur mit den Händen zu berühren. Dazu erklärte sie den Ablauf der Bewegungen dem Publikum in einer unverständlichen Sprache.
Dann gabs Pizza und eine erste Pinkelprobe.
Am Ende des Tages stehen die vier Sequenzen und ihre Elemente fest und auch welche Entscheidungen am nächsten Tag noch getroffen werden müssen.
Showing mit netten Unbekannten und Bekannten Gesichtern
BYEBYE FLAUSEN, DANKE!
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