Frage 2: Wie nähern wir uns den Bakterien auf wissenschaftlicher oder/und intuitiver Ebene? Und wie können wir das auf szenische Herangehensweisen übertragen?

Unsere Lust hat uns ganz organisch Richtung Bühne gelockt.

Wir haben weitere scores entwickelt:

  • Wir haben zusammen in einer Zeremonie Kombucha-Leder geerntet.
  • Wir haben versucht, nur noch im „wir“ zu sprechen, noch ist das gescheitert.
  • Leni hat uns 15 Minuten lang die Zunge rausgestreckt. Bis sich die Zunge zu einem eigenständigen Wesen entwickelt hat.
  • Reni hat unsichtbare Mikrobiome eingesammelt und mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit  gespielt.
  • Leni war eine fragwürdige Mondmilch-Sammlerin.
  • Hannah hat vor unseren Augen eine partielle Waschlappenreinigung vollzogen .
  • Hannah Liya hat uns von ihrem anderen Leben in der Steillagen-Parzelle erzählt und uns die basics des Weinbaus beigebracht.
  • Wir haben über die Verschmelzung von Körperlandschaft und Landschaftskörper nachgedacht. Unsere Wörter aus unterschiedlichen Disziplinen machen sich auf unseren Zungenrücken miteinander verwandt.
  • Jule hat Abdrücke ihrer Bakterien unterschiedlicher Körperteile genommen und daraus eine Ausstellung zusammengestellt.
  • Jule hat uns das philosophisch-politische Matschuniversum nahegebracht.
  • Wir haben uns einander und Fremden vorgestellt.
  • Wir haben eine Improvisation gemacht, bei der eine Person von den anderen bewegt wird. Diese Person hat zu Beginn 0% Kontrolle über ihren Körper, lässt sich bewegen und steigert dann ihre agency. Vorstellungen von Passivität und Aktivität verschwammen.

Lenis These, dass Bakterien nichts wollen, hat sich bestätigt.
Und darüber hat sich Leni gefreut.

Wir haben den horizontalen Gentransfer entmystifiziert.
Und dafür hat sich der Mythos des quorum sensings noch vergrößert
(Also wenn die Bakterienkultur denkt, dass sie die cricital mass erreicht hat und dann in die Aktivität geht.)

Frage 3: Können/Wollen wir unser Mikrobiom während der 4 Wochen Residenz optimieren?

Wir führen jetzt täglich Bakterienfütterungen durch.
Wir haben Ziegen gestreichelt und uns von ihnen die Hände abschlecken lassen

 

Wir haben Kimchi* und Möhren zum Fermentieren eingelegt und kurz angerissen, was Fermentation als soziale Praxis bedeuten kann**.
Wir haben gelernt, dass es drei verschiedene Darmbakterien-Typen gibt.
Die Darmtypen unterscheiden sich dahingehend, dass ein Bakterium dominiert.
Da ist die Forschung aber auch noch hinterher.
Und wir haben gelernt, dass es sehr schwer ist, das Mikrobiom kurzfristig zu verbessern.

Frage 4: Wie verbinden wir uns und unsere Forschung mit dem konkreten Ort und den Menschen, die hier arbeiten und leben? 

 

Wir haben einen Mikrobiologen getroffen und viel über die bakterielle Kommunikation gelernt. Wir hatten ein millionenfach vergrößertes Modell des Typ-3-Sekretionssystem-Tools in der Hand. Wir sind zum Forschungszentrum durch den Wald gelaufen.

Wir haben uns gefragt inwiefern Impfgegner*innen und Fans der effektiven Mikroorganismen nah beieinander sein könnten. Und im Nebenraum ist ein Vortrag über Antisemitismus ausgefallen.

Wir haben versucht, das Mischpult x32 zu routen. Das haben wir kurz geschafft, sind aber auf neue Herausforderungen gestoßen.

Wir hatten Dates.
Die Bühne beginnt zu müffeln.
Das Kellerloch beginnt zu müffeln.
Wir haben Äppelwoi getrunken und der schmeckte wie der ganze Tag.
Das Thema der Woche waren Kommunikation und spektakuläre Beziehungsweisen.

 

Ausblick nächste Woche, Frage 5: 

Was ist die Dringlichkeit, uns mit Bakterien so ausführlich zu beschäftigen?
Welche ökonomischen, ökologischen, politischen, historischen, feministischen Implikationen sollen in der zweiten Hälfte der Residenz Fokus bekommen?

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* Kimchi-Rezept von https://solawi-marburg.de/rezepte/kimchi

Zutaten für ein Glas:

  • 1 Chinakohl
  • 2 Möhren
  • 1/2 Birne
  • 2 TL Salz

Dressing:

  • 1 rote Paprika
  • 2 Knoblauchzehen
  • 2 EL Ingwer (entspricht einem ca. 7 cm großen Stück)
  • 1-2 Peperoni
  • 2 EL Reissirup
  • 100 ml Wasser

Zubereitung: 

Chinakohl und Möhren sehr fein schneiden und mit dem Salz vermischen. Kann eine Weile ziehen lassen und dann alles etwa 5 min mit viel Druck kneten (Denkt bitte an absolute Hygiene), bis jede Menge Wasser austritt. Die Menge des Salzes sollte nicht groß unter- oder überschritten werden, da es ansonsten den Fermentationsprozess oder die Konservierung später behindern könnte.

Alle Zutaten fürs Dressing mit dem Pürierstab sehr fein pürieren und über den Kohl gießen. Erneut etwa 3 min. kneten. Nun in vorher ausgekochte Einmach- oder Schraubgläser füllen, darauf achten, dass der Kohl komplett mit Flüssigkeit bedeckt ist. Falls dies nicht der Fall ist, mit etwas Wasser auffüllen. Zur Fermentation das Glas nicht ganz verschließen (Schraubglas: zudrehen und viertel Drehung wieder auf; Einmachglas: ohne Gummieinlage).

Mindestens 72 Stunden an einem warmen Ort ohne direkte Lichteinstrahlung fermentieren lassen. Alle 24 Stunden einmal öffnen, um Gase komplett entweichen zu lassen.

Nach der abgeschlossenen Fermentation ist es unbedingt im Kühlschrank aufzubewahren und dort min. ein halbes Jahr haltbar.

** https://www.lasala.uk/support-1/fervent-manifesto