In Woche drei haben wir den Tisch von der Bühne entfernt. Uns zieht es nun gemeinsam auf die Bühne, im engen Körperkontakt und in die Marburger Gassen, um weitere Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Wir verstoffwechseln fleißig, sind noch nicht ganz mikrobiologisch stabil, aber merken, dass das Ende naht.

Frage 2: Wie nähern wir uns den Bakterien auf wissenschaftlicher oder/und intuitiver Ebene? Und wie können wir das auf szenische Herangehensweisen übertragen?

Wie kann ich diese intensive, verspielte, intime, anstrengende Körperlichkeit behalten, weiterentwickeln, gnadenloser machen, teilen?

Wir haben angefangen eine Knöllchen-Bakterien-Strumpfhose zu knüpfen.
Wir haben Frequenz-Battiments aufeinanderprallen lassen und dadurch Frequenzwellen im Raum erzeugt.
Was bringt es, wenn wir Bakterien embodyen und wollen wir überhaupt Bakterien embodyen?
Sind wir konsequent genug darin, den Theaterraum für Bakterien fein zu machen?

Wir haben die Frequenzen hochgeschaltet, die unsere Bakterien zum Schwingen bringen und haben im Nebel gebadet.
Wir haben unsere Körperarchive in halbstündigen Ganzkörpermassagen abgetastet, in denen eine von uns ganz neue Nerven in ihrem Körper entdeckt hat.

Wir haben Lynn Margulis gemeinsam zugehört und einen kleinen Clip dazu gedreht.
Wir haben getönt.
Wir haben den Theaterraum in verschiedenen Settings bis auf die letzte Ritze erkundet: als Bakterienmessgeräte, als Bakterien unter der Erde, als Bakterien unter dem Mikroskop eines Forschers.

Wie können wir – wollen wir? – das Publikum von Bakterien sinnlich verzaubern?
Wie krass ist Quorum sensing, wenn wir das nächste Woche machen?

Frage 3: Können/Wollen wir unser Mikrobiom während der 4 Wochen Residenz optimieren?

Wollen wir noch Bakterien und das Mikrobiom verstehen, wollen wir wirklich mit Bakterien “zusammenarbeiten” oder versuchen wir heimlich, uns selbst zu optimieren?

Wir haben teilweise unsere Bakterien Fütterung abgebrochen, wegen Blähungen.

Stimmt es, dass effektive Mikrobiome für unsere Verdauung und unser krasses Pupsen verantwortlich sind? Und wird es nächste Woche besser?

Wir haben einen guten Stuhl.
Durch welche Träger gelangen die Bakterien in uns und aus uns raus?

Wir haben viel Käse, Sauerkraut und Blumenkohl gegessen, weiterhin viel Wasserkefir und Wein getrunken und unseren Haferbrei nicht aufgekocht, sondern erwärmt.
Wir haben gelernt, dass es sozial antrainiert ist, dass wir Ekel vor Scheiße haben.
Wir waren in der Käserei und haben nun richtig viel Käse zu Hause im Kellerloch.

Was ist der 24h-Rhythmus von Bakterien? Wie beeinflussen sie unseren Rhythmus?

Frage 4: Wie verbinden wir uns und unsere Forschung mit dem konkreten  Ort und den Menschen, die hier arbeiten und leben? 

Wir haben einer Krankenpflegekraft zugehört, wie bedrohlich Bakterien sein können und wie lebensnotwendig Hygiene sein kann.

Wir freuen uns auf Fotos unserer Bakterien (Spucke, Schweiß, Stirn, Kuss, Fuß, Zahnbelag, Ohr) aus einem Institut auf einem Berg in Marburg.

Wir hatten Dates. Wir hatten Date-Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen über Fortführungen oder Aussetzen entstehender  Verbindungen.

Wir haben das Käsereich von Benjamin Schulz und seinen fünf Kollegen in Stadtallendorf, die fünf Bakterienstämme mit denen er hauptsächlich arbeitet, kennengelernt. Der Reifungsraum lebt, die Decke lebt.

Wir haben seinen Käse probiert und er hat uns eine Verzehrempfehlung mitgegeben.
Bakterien leben im Käse weiter. Der Käse lebt.

Wir waren beim offenen Stammtisch des Marburger Naturschutzbunds und
haben festgestellt: Sie beschäftigen sich eher weniger mit Bakterien.
Das tun sie nur, wenn es unangenehm wird, zum Beispiel, wenn die
Nistkästen zugekackt sind.

Am Tag danach wurden wir von einem Naturschutzbund Mitglied in der Mensa der Universität wiedererkannt und angesprochen. Er ist PostDoc an der Universität im Bereich Mitochondrien-Biologie und hat uns erzählt, er dachte, er hätte sich verhört, als wir am Tag vorher meinten wir sind vom Theater und forschen zu Bakterien.

Wir haben unsere gute Stimmung an einen Pizza-Mittagstisch getragen und vermehrt.

Frage 5: Was ist die Dringlichkeit, uns mit Bakterien so ausführlich zu beschäftigen? Welche ökonomischen, ökologischen, politischen, historischen, feministischen Implikationen sollen in der zweiten Hälfte der Residenz Fokus bekommen?

Wo wird die Vermischung von Biologie und Politik im Sinne von
Sozialdarwinismus problematisch?

Inwiefern interessieren wir uns eigentlich für Bakterien oder inwiefern sind doch die Träger*innen das Ausschlaggebende?

Welche hygienischen Grenzen sollten wir nicht überschreiten?

Wenn wir uns um die Artenvielfalt in unserem Ökosystem kümmern, wird dann automatisch die Artenvielfalt in unserem Darm wieder größer?

Wohin führt eine Sichtbarkeit der Bakterien?
Worin liegt das dystopische und utopische Potenzial der Bakterien?

Welche Branche hat die meisten Patente auf Bakterien?
Welcher rumänische Traditionskäse wurde beim EU-Beitritt verboten?

Hat es ein revolutionäres Potential, nichts als tote Materie zu betrachten?

Frage 6: Wie wollen wir als Kollektiv arbeiten?

Wie viel Intimität wollen wir nächste Woche teilen?
Welche Intimität wollen wir nicht teilen?
Wo werden wir uns selbst fremd?

Wie können wir unsere Vorstellung von Wissen neu definieren, um all  das Wissen anzuerkennen, was es zu verdauen gilt?

Wir haben gemerkt, wie gut wir crediten und wie gut wir Skills teilen  und dass unser Biofilm eine Open Source Landschaft ist. Teilen ist eine Praxis, die uns reicher macht.
Wir haben diskutiert über Leistungsdruck, Disziplin und Selbstorganisation.
Wir haben uns gefragt, was wir wollen.
Wir haben einen Film über Feedback von DasArts geschaut.

Folgen wir unserer Intuition?

Wir haben über die Definition von Unterstützung gesprochen und neue Definitionen gesucht und gefunden.
Wir entscheiden uns für das gegenseitige Unterstützen. Auch körperlich. Und wir geben uns im besten Sinne Druck.