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#29 Und wir flogen tausen Jahre
Woche  03.
(02.08. – 08.08.2017)

Frauke Rubarth, Susanne Tod, Eyk Kauly, Thomas Nestler

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Und was noch? Übersetzungsprozesse – Texterarbeitung neu gedacht…

In dieser Woche beschäftigen wir uns sehr viel mit Textarbeit und dem Experimentieren damit auf der Bühne. Zunächst erarbeiten wir einen Text ausgehend von improvisierter DGS. Dieser Übersetzungsprozess dreht die sonst meist übliche Arbeitsweise um, einen geschriebenen Text in DGS zu übersetzen und dann damit auf der Bühne zu probieren. Wir gehen von der DGS aus: Eyk improvisiert Inhalt zu Themenstellungen, diese werden schriftlich erfasst und zu einem Text „geformt“.

Ausschnitte zum Übersetzungsprozess – Entstehung eines Texts

image2a) Themenstellung für Eyk, der dazu in DGS improvisiert
Themen: „Auf der Erde“, „Raketenstart“ und „im All“.

b) Grobübersetzung des gebärdeten Inhalts (Eyk und Susanne)
Susanne erstellt direkt während des Improvisationsprozesses von Eyk die Grobübersetzung. Textausschnitt:

Die Erde

Wir nähern uns der Erde und kommen an eine Klippe. Die starke Brandung schlägt gegen die Klippe. Ein Mann sitzt oben auf der Klippe und sieht in den Himmel. Die Sonne geht langsam im Meer unter. Es wird Nacht, viele Sterne sind am Himmel. Ein Stern ist anders, er „leuchtet langsam“. „Ist das ein Stern? Ein Planet? Was ist das? Keine Ahnung!“. […]

c) „Verfeinern“ der Grobübersetzung im Austausch mit Thomas, Eyk und Frauke -> Erzähltext

Dieser Prozess erfolgt in mehreren Schritten, der Text verändert sich stetig. -> Fortsetzung des Prozesses: mit den Bühnenproben auch immer überprüfen, ob Text auch wieder reduziert werden kann. (s.u.)
Hier zwei Textausschnitte:

Die Erde

Die Erde. Mit schäumender Gischt schlägt die Brandung gegen die Klippen am Ufer. Dort oben, auf dem Felsen sitzt ein Mann und schaut in den Himmel.
Langsam versinkt die Sonne im Meer und aus der Dämmerung wird dunkle Nacht. Vereinzelt leuchten Sterne auf und es werden immer mehr, bis schließlich das ganze Himmelszelt von ihnen erfüllt ist.
Doch was ist das? Plötzlich, zwischen all den leuchtenden Sternen, erblickt der Mann ein Glimmern. „Das ist doch kein Stern? – Und auch kein Planet?“

Die Ärde  („Hamburger Platt“)

Tja, da haben wir jetzt also die Erde, nä. Und wenn man da jetzt mal genauer hinschaut, dann sieht man ja auch wie die Brandung mit schäumender Gischt voll gegen die Uferklippen schlägt, nicht.
Ja und da oben, ganz oben auf dem Felsen, da sitzt da so ein Mann und schaut in den Himmel.
Ja, der guckt sich das so an und sieht wie langsam die Sonne im Meer versinkt – und dann wird aus der Dämmerung Tiefschwarze Nacht, nä.
Ja aber dann so: „blink“, leuchtet ein Stern auf in der Dunkelheit. „Blink“, noch einer. „Blink“, noch einer. „Blink“, noch einer, noch einer, noch einer, „blink, blink, blink, blink, blink, blink, blink, blink und – schließlich leuchtet das ganze Himmelszelt voll mit Sternen.
Aber was? Was ist das denn? Da, plötzlich erblickt der Mann zwischen all den leuchtenden Sternen so ein, so ein – Glimmern. Das ist jetzt aber kein Stern? Ist das ein Planet? Keine Ahnung.

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Und praktische Forschung …

– Versuch 1: Textentwicklung ausgehend von Gebärdensprache: anhand der Begriffe „Auf der Erde“, „Raketenstart“ und „im All“ entwickelt Eyk in DGS eine kurze Erzählung. Susanne übersetzt diese in spontan niedergeschriebenen Text. Im zweiten Schritt wird dieser Text gemeinsam (Susanne, Eyk, Thomas und Frauke) als Erzähltext verfasst, ebenso wird die DGS-Erzählung weiter poetisiert. Anschließend verinnerlichen Eyk und Thomas den Text jeder für sich, bevor es auf die Bühne geht.
Auf der Bühne werden dann unterschiedliche Darstellungsformen ausprobiert: beider erzählen mit Trennwand zwischen sich, dann ohne.

– Versuch 2: selber Text, Präsentationen an unterschiedlichen Positionen im Raum: zunächst Eyk allein auf der Bühne. Er erzählt den Text in DGS mit Rollenübernahmen und VV. Er soll es so darstellen, als würde er sich den Text selbst erzählen, nicht ins Publikum.
Im 2. Durchlauf steht Thomas an der Seite und spricht den Text ins Mikrofon.
Im letzten Durchlauf spricht Thomas den Text allein auf der Bühne.

– Versuch 3: selber Text, lange Trennwand: Thomas und Eyk kommen nach vorne, treffen sich an der Spitze der Trennwand und spielen dort den Raketenstart (mit VV). Anschließend wechseln sie die Seiten und erzählen die Geschichten nach hinten gehend zu Ende.

– Wir wenden am Ende der Woche nochmal dem erarbeiteten Text zu: Frauke liest den Text von der Seite ein, um zu schauen, wo Möglichkeiten der Reduktion sind. In den 3 Durchläufen erarbeiten wir jeweils neue, gekürzte Texte. Ein Großteil der Inhalte ist auf der Bühne darstellbar, wird ästhetisch untermalt und ergänzt durch Fraukes eingesprochene Textteile.

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… Erkenntnisse und Fragestellungen

– Wie kann ein Text entwickelt werden, der von DGS ausgeht und nicht von einem geschriebenen Text? -> Umkehrung des Übersetzungsprozesses (s.o.) -> dieser neue Ansatz kommt sowohl Eyk als auch Thomas entgegen, da beide besondere Stärken einbringen können (Eyk: DGS und Gebärdenpoesie, Thomas: poetische Sprache und Erzähltexte)

– Wie müssen DGS und gesprochener Text rhythmisiert werden, damit Synchronizität erzielt wird? Ist synchrone Erzählung tatsächlich immer die ausdrucksstärkste und sinnvollste? Wie kann der Eindruck vermieden werden, dass der eine den anderen einfach nur übersetzt? Für heute stellen wir fest, dass uns ein „Sich-abwechselnd-Überholen“ im Sprech- bzw. Gebärdentempo am besten gefällt. Darüber hinaus entsteht der stärkste Eindruck, wenn es immer wieder zu „Berührungsworten / -gebärden“ kommt. Außerdem wird klar, wie detailiert derartige Szenen in Proben zu bearbeiten wären à hohe Zeitintensität.

– Welche Rolle spielt das Bühnenbild / die Bühnenaufteilung bei der bilingualen Darstellung?

– Das Mentorengespräch in dieser Woche gibt uns gute neue Impulse, neue Sichtweisen und Fragestellungen für die eigene Arbeit. Z.B.: Momente des Asynchronen sind interessant, Asynchronität kann Komik mit sich bringen. Außerdem ist die Frage nach der Reduktion auf das Wesentliche spannend: welche Inhalte müssen nicht ausgesprochen / gebärdet werden, weil sie schon sichtbar sind? Die Herangehensweise ausgehend von Thema – improvisierter DGS – Texterarbeitung scheint hierfür besonders geeignet -> Fortsetzung des Prozesses: mit den Bühnenproben auch immer überprüfen, ob Text auch wieder reduziert werden kann. Ziel: Überflüssiges weglassen!

Oder etwa: Thema „Brüllen“: welche Aspekte des lautsprachlichen Brüllens lassen sich auf DGS übertragen und welche vielleicht nicht? -> Spiel mit der Qualität des Brüllens, nicht einfach nur mit laut und leise… lässt sich Brüllen zeichnen, als Comic, welche anderen Darstellungsformen finden wir?

Und: Zum Übersetzungsprozess: wie lassen sich Formulierungen aus der DGS in den gesprochenen Text übernehmen?

Gedankensplitter

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Glimmern und Glitzern?

Manchmal braucht es Zeit für jeden allein…

„Das ist doch kein Stern?! Kein Planet?! Was ist das? Keine Ahnung.“

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