Woche 02.
Bodies We Fail
Logbuch
Montag 14.08
Zumal Michael erst eine Woche später nach Bielefeld reiste, stand unser erster gemeinsamer Tag hier zu dritt zunächst ganz im Zeichen eines ersten körperlichen Zusammenfindens. Dabei eröffnete sich uns zunächst die ganz elementare Frage:
Wie wärmen wir uns, angesichts unserer körperlichen Differenzen, gemeinsam auf?
Wir entschieden uns für eine Warm-Up Praxis, die wir von im Rahmen diverser Workshops von Keith Hensessy kennengelernt haben. Eben diese Praxis teilt sich in drei Phasen: Shaking, fucking the space, slow movement. Diese elementare Struktur erlaubte uns, das gleiche Bewegungsmaterial zu teilen und dennoch unserer Körperlichkeiten in je eigener Weise einzubringen.
Sodann stellte sich uns in einer ersten gemeinsamen körperlichen Annäherung an unser Thema die Frage: in welcher Weise und in welcher Form können wir das monströse, wiederum vor dem Hintergrund unserer körperlichen Differenzen, gemeinsam bewegungspraktisch übersetzen?
Wir entschieden uns für die Anknüpfung an ein Material, das wir bereits vor längerer Zeit kurz angerissen haben und dessen zugrunde liegende Bewegungspraxis wir als “Practice the Monster” bezeichnen: Ausrichtung zum Publikum bzw. zur Kamera, wiederholte monströse Gesten der Selbstdarstellung sind dabei zentrale Motive.
Schlussendlich befassen wir uns mit der Frage: In welcher Weise können wir zudem Monströsität stimmlich übersetzen?
Dabei erprobten wir die Praxis “Spirit of the introject”, welche ausgehend von einer Modulation der Atmung unterschiedliche Affekte evoziert.
Dienstag 15.08.
BRAINSTORMING DAY
Unser erstes Treffen mit unserem Mentor Gustavo erweist sich als freudiges aufeinandertreffen ähnlichgesinnter freaks. Gustavos künstlerischer Erfahrungswert in der Arbeit mit unterschiedlichen Körperlichkeiten, Genderidentifikationen und Menschen verschiedener kultureller Hintergründe erlaubt es uns ein weites Netz an für unsere Recherche wichtigen und fruchtbaren Themenkomplexen zu Spannen. Wir sprechen über die Terrorisierung des Körpers, über Sexualität und die Dekonstruktion von Rollenbildern in der Sexualität als Motor der uns hilft die Welt in und um uns zu verstehen. Wir verstehen Sexualität als Überbegriff der in Allem enthalten ist. Wir formulieren unser fortwährendes Interesse an dem Wunderbaren und Monströsen; beides etabliert sich wider die Natur. Wir beschäftigen uns mit Zwischenwesen – Engel, Monster, Einhörner, Transsexuelle Menschen, Hexen, Superhelden – Wesen, die sich nicht in die gängigen Parameter von Geschlecht, normierter Natur oder Schönheit einordnen lassen. Wir befassen uns mit der Tatsache, dass ability, Rasse, Macht, Gender, Künstlichkeit, Natur, Monströsiät und Wunder immer eine Frage des Kontexts ist. Dass der Kontext indem jemand oder etwas steht die Art und Weise wie wir es betrachten komplett verändern kann. Des weiteren philosophieren wir, inspiriert von Bini Adamczak´s text „Kritik der Polysexuellen Ökonomie“ über die
PARTY/ORGIE/CHAOS als Ort wo sich Kategorisierungen auflösen, Grenzen verschwimmen und Körper verschmelzen; als Ort der utopischen, dehierachisierten Solidarität an dem das Binäre aufgebrochen wird. Folglich betrachten wir THE AFTERMATH als Zustand nach der Party, als reality check und Konfrontation mit dem Ende der Utopie, der Wiederkehr der Hierarchie, der Grenze, Binarität und des Paares. Wir fragen uns, wie Kollektivität eine andere als nur momentane Zeitlichkeit haben kann. Je dünkler und lauter die Party, desto mehr existieren wir rein als Körper. Ein Beispiel dafür sind DARK ROOMS, Orte an denen man rein als Körper mit anderen Körpern agiert.
Mittwoch 16. August
FURTHERING PRACTICES
Wir starten den Tag mit unserer warum-up Praxis SHAKING, FUCKING, FAST, SLOW . Anschließend sehen wir den neunminütigen Film IN MY LANGUAGE von AM Baggs. Baggs ist eine amerikanische Blogggerin die von ihrer Umwelt in die Kategorie „Person mit niedrig funktionellem Autismus“ eingeordnet wird. In ihrem Film zeigt und beschreibt Baggs wie sie ihre Umwelt und Mitmenschen erlebt und entgegen der allgemeinen Auffassung von Autsismus nicht „in ihrere Welt gefangen ist“. Der erste Teil des Films zeigt auf sehr einfache und faszinierende Weise wie Baggs in ihrer Sprache mit ihrer Umwelt interagiert. Im zweiten Teil des Films spricht eine weibliche Computerstimme Baggs ergreifende Worte:
A TRANSLATION
The previous part of this video was in my native language. Many people have assumed that when i talk about this being my language that means that each part of the video has to have a particular symbolic message whithin it designed for the human mind to interpret.
But my language is not about desinging words or even visual symbols for people to interpret.
It is about being in the constant converstation with every aspect of my environment.
Reacting physiaclly to all parts of my surroundings.
In this part of the video the water doesnt symbolize anything. I am just interacting whith the water as the water interacts with me.
Far from being purposeless, the way that i move is an ongoing response to what is around me. Ironically the way that i move when responding to everything around me is described as „being in a world of my own“, whereas if I interact with a much more limited set of responses and only react to a much more limited part of my surroundings people cliam that i am “opening up to true interaction of the wold“.
They judge my existence, awareness and personhood on which of a tiny and limited part of the world I appear to be reacting to.
The way i naturally think and respond to things looks and feels so different from standard concepts or even visualisation, that some people do not consider it thought at all.
But it is a way of thinking of its own right. However the thinknig of people like me is only taken seriously, if we learn your language. No matter how we previously thought or interacted.As you heard i can sing along to what is around me.
It is only when i type something in your language that you refer to me as having communication. I smell things.
I listen to things.
I feel things.
I taste things.
I look at things.
It is not enough look and taste and listen and feel. I have to do this to the right things – such as look at books – and fail to do them to the wrong things, or else peopel doubt that I am a thinking being. And since their defintion of thought defines their defintiton of personhood so ridiculously much, they doubt that I am a real person as well. I would honestly like to know how many people, if you met me on the street would believe i wrote this. I find it very interesting by the way, that failure to learn your languag is seen as defecit but failure to learn my language is seen as so natural that people like me are officially described as mysterious and puzzling, rather than anyone admitting that it is themselves who are confused not autistic people or other cognitively disabled people who are apparently confusing. We are viewed as non-communicative if we dont speak the standard language, but other people are not considered non-communicative if they are so oblivious to our languages as to believe they dont exist. In the end i want you to know that this has not been intended as a voyeuristic freak show where you get to look at the bizarre workings of the autistic mind. It is meant as a strong statement on the existence and value of many different kinds of thinking and interaction in a world, where how close you can apear to a specific one of them determines whether you are seen as a real person, or an adult, or an intelligent person and in a world in which they determine whenter you have rights. There are people being tortured, people dying because they are considered non-persons, Because their kind of thought is so unusual as to not be considered thought at all. Only when the many shapes of personhood are recognized will justice and human rights be possible.
Inspiriert von Baggs Statement dehnen wir unsere PRACTICE OF THE IDIOT aus auf eine Art der Interaktion mit allem um uns. Wir ergeben uns der Eigenwilligkeit unserer Körper, erlauben uns uns mit Allem um uns intensiv zu Beschäftigen. Dinge Spüren, Dinge hören, Dinge schmecken, Dinge Sehen. In einer adaptierten Form der Praxis MEASURING von Meg Stuart vermessen wir durch unseren Körper als eigensinniges und intelligentes Sinnesorgan alles materielle und imaginäre was uns umgibt. In einem zweiten Teil der Praxis erforschen wir wie wir mit non-readable-communication kommunizieren können, bzw einen Raum gemeinsam bewohnen können indem eine Vielfalt an Sprachen existiert.
Hier der Link zum Film
und hier der link zu Baggs Blog
https://ballastexistenz.wordpress.com/tag/experience
Donnerstag 17.08.
“I have this body, it means you can touch me, and i will feel it”
– Scout Niblett twelve miles
bedroom
It is in their bedrooms that people consolidate or reproduce the division between disabled and non-disabled, between normal and not-normal in the most fundamental way. It is political. It is private. It is a place to rest. A place to dream. A place for sex.
Aus dem von uns verfassten Lexikon zu BODIES WE FAIL
In einer gesellschaftlichen Ordnung in der Menschen, die wir als Zwischenwesen definieren wollen, Menschen also, die sich ausserhalb einer bestimmten Norm bewegen, von Intimität und Sexualität kategorisch ausgeschlossen sind , stellen wir uns die Frage nach “ Care “ , Intimität, Sinnlichkeit und Solidarität .
Nach einem warm up in dem der Fokus auf das Manipulieren und das Berühren des anderen Körpers liegt, arbeiten wir in zwei langen Sessions in zwei unterschiedlichen Terrains, die wir räumlich, atmosphärisch und körperlich herstellen:
1. Space of care and touch
2. Space of pleasure and erotic
Freitag 18.08.
1. Warm Up “What do we do before we know what we´re doing? “ Jeanine Durning:
Begleitet uns in unserem Warm Up in 4 Phasen
Shaking als Selfcomposing Practice – Invoking the erotic in the sense of Keith Hennessey-
Fast practice (non stopping)- slow practice (non stopping)
Wir nutzen das Warm – up als eine Möglichkeit choreographisch zu denken, räumliche Beziehungen und Konstellationen, Situationen , Distanz, Nähe und Formen zu untersuchen.
In der Langsamkeit entspinnt sich über den Zeitraum von 40 Minuten eine Situation , die zwischen konkreten und abstrakten Situation oszilliert .
Wir nutzen Kontinuität als ein selbst generierendes choreographisches Mittel.
2. Im restlichen Teil des Tages widmen wir unsere Zeit der Recherche des Monströsen und Fremden in der Stimme:
Slavoy Zizek beschreibt die Stimme in seinem „perverts guide to cinema“ als einen nicht organischen Teil des Köpers – als ein Ding, das aus dem Zwischen des Körpers kommt und chaotisch und unlogisch agiert. Er sieht die Stimme nicht nur als Medium zum Ausdruck menschlicher Subjektivität sondern auch als „foreign intruder“, als Eindringling. Die Stimme mit dieser unheimlichen Qualität als eigener und fremder Körper zu agieren untersuchen wir in verschiedene Recherchen.
Die Gruppe sammelt visuelle Eindrücke im Monsterarchive. Hier das Monsterarchive Nr 2.
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