Theater Combinale | [Wackel]Kontakt
Logbuch 19.-25.Juni 2024
Postcards from Lübeck (Fiona)
Die Postkarten sind nach wie vor Bestandteil meines Alltags. Die ersten sind auch schon angekommen und die Menschen haben sich sehr gefreut. Mein Plan jeden Tag nur eine Karte zu kaufen ist allerdings nicht aufgegangen. Zu viele andere Dinge fallen hier an, sodass ich mir einen kleinen Vorrat angelegt habe. Auch schaffe ich es nicht jeden Tag zum Briefkasten. Aber das ist okay. Diese Art des Tagebuchs ist etwas Wunderbares und die Rückmeldung zu bekommen, dass sich jemand über die Karte freut, ist ein tolles Gefühl. Zwar besteht der Kontakt nicht aus viel Kommunikation, doch in einer Zeit der Schnelllebigkeit ist es ein Zeichen, dass sich jemand Zeit für dich nimmt. Zu sehen, dass du jemandem so viel bedeutest, dass sich die Person so viel Mühe macht, statt nur einfach eine WhatsApp-Nachricht zu verfassen, ist etwas Besonderes.
Augen zu und los (Nastia)
Ich habe einige Übungen für unsere Gruppe angeleitet, die alle mit dem Thema Augenkontakt zu tun hatten. Eine davon war, durch einen Raum zu gehen und sich immer wieder mit Blicken zu begegnen. Man konnte bei diesem Augenkontakt verweilen und sehen, was sich draus entwickelt, oder weitergehen. Daraus entstanden einige schöne Momente. Zum Beispiel hatte ich einen langen Augenkontakt mit Alex. Wir gingen immer wieder ein paar Schritte aufeinander zu oder voneinander weg. Irgendwann waren wir so nah zusammen, dass wir die Augen der anderen nicht mehr sahen und legten unsere Köpfe auf die Schulter der jeweils anderen. Einen anderen Moment hatte ich mit Stefan. Er stand am Fenster in der Sonne und ich legte mich auf den Boden. Mein Gesicht befand sich genau dort, wo die Sonnenstrahlen hinfielen. Stefan bewegte seine Hände vor der Sonne so, dass auf meinem Gesicht ein Schattenspiel entstand. Diese Übung möchte ich in kommender Zeit noch einige Male wiederholen, sie länger machen und testen, wie es ist, wenn wir z.B. alle oder zwei Personen die Augen zu haben. Eine andere Sache, die wir ausprobiert haben, war, durch die Stadt zu gehen und zu beobachten, wie Menschen Kontakt aufnehmen, halten oder auch abbrechen.
Jede*r von uns hatte eine Stunde Zeit. Wir saßen in Cafes, spazierten durch die Straßen, saßen auf Parkbänken und beobachteten die Menschen. Wir versuchten auch, Augenkontakt mit den Menschen aufzunehmen. Bei der Feedbackrunde wurde klar, dass wir diese Übung gerne länger machen würden, da die eine Stunde doch schnell verflogen ist.
Wackelkontakt – Dialog der Unbekannten (Fiona)
Diese Woche ist nun auch endlich das Experiment „Dialog der Unbekannten“ gestartet. Jede Person aus dem Kollektiv hat eine anonyme Chatperson aus Lübeck, die Sigrid und Knut, die Leiter des Combinale Theaters, organisiert haben. Jeden Tag denke ich mir eine Frage aus, die als Gesprächsanstoß dient. Man kann sich darüber unterhalten, muss es aber auch nicht. Am Samstag und Sonntag ging es los. Wackeliger als dieses Experiment war bisher wohl noch keines. Die Kommunikation über die Funktion der Teilnahme gestaltete sich trotz ausführlicher Beschreibung als äußerst schwierig. Und da die Chattenden alle anonym bleiben sollten, musste die Kommunikation mit mir als Leitende über Sigrid und Knut funktionieren und war dementsprechend umständlich. Ein wenig ähnelte es stellenweise dem Spiel Flüsterpost. Eine Person musste ich am Ende selbst aus meinem Bekanntenkreis organisieren und eine zweite muss ich nach wie vor organisieren, weil die Technik nicht mitgespielt hat und sie am Ende abgesprungen ist. Darum ist ein Chat noch nicht gestartet, aber ⅚ ist schon mal eine gute Rate.
Gesprochen haben wir schon über vieles. Kindheitserinnerungen zu Eistee, Lesen bei Gewitter und die Bedeutung von Liebe. Noch weiß ich nicht worüber die Anderen gesprochen haben, aber ich bin enorm neugierig! Bei der Abschlusspräsentation sollen auch Highlights aus den Chats präsentiert werden. Ich bin zuversichtlich, dass da ganz wunderbare Dialoge entstehen!
Unter 2 Augen (Stefan)
Die hauptsächliche Arbeit an “Unter 2 Augen” diese Woche bestand daraus, nach Möglichkeiten zu suchen, die doch sehr privat-persönliche Performance so einladend zu gestalten, dass die Barriere zu partizipieren möglichst gering gehalten wird. In Gesprächen und beim Ausprobieren von Aktionen mit verschlossenen Augen im Rahmen anderer Workshops kristallisierten sich einige mögliche Probleme heraus, die das Publikum potentiell abschrecken. An oberster Stelle steht dabei, wie man vermeidet, sich durch verbundene oder verschlossene Augen zu einem unnahbaren Objekt zu machen. Diese geschaffene Distanz gilt es irgendwie durch andere Mittel oder Rahmen zu überbrücken, damit die Performance überhaupt gelingen kann. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, sie zeitgleich und räumlich nahe an anderen Performances durchzuführen, um eine quasi museale Atmosphäre zu schaffen, die die Hemmschwelle zu partizipieren senkt. Diese und einige andere Bedenken hoffe ich beim Treffen mit unserer Mentorin klären zu können.
A room to meet (Alex)
Im ersten Bewegungsworkshop haben wir Kontakt durch
verschiedene Linsen betrachtet. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Nachfrage für den Workshop so hoch war und die gesamte Ü70 Theatergruppe von Knut gerne teilnehmen wollte. Angefangen mit dem Kontakt mit sich selbst, haben wir Visualisierungen gemacht und uns in imaginärem Wasser bewegt. Im nächsten Schritt haben wir Kontaktpunkte durch Berührung und dann durch Augenkontakt mit einer anderen Person kleine improvisierte Duette kreiert. Es war sehr
interessant, Ideen mit einer größeren Gruppe auszuprobieren und zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sein können, wo Berührungsängste sind und welche Kontaktaufnahme uns leichter fällt.
Letter exchange (Alex)
Diese Woche hat das Projekt “letter exchange” gestartet. “letter eXchange” ist ein Experiment, in dem in Lübeck und München Personen einen Brief an eine ihnen unbekannte Person schreiben. Dies wird in Cafés und öffentlichen Orten veranstaltet. Wir möchten Kontaktaufnahmen in all ihren Facetten erforschen und durch handschriftliche Briefe einen Gegenpol zu der heutigen schnelllebigen Kommunikation bieten.
Der erste Ort war in der Nähe des Krähenteichs. Ein kleiner Ort im Grünen, umgeben von Bänken und Hochbeeten. Wir haben den Tisch für mehrere Stunden dort stehen lassen und konnten dann auch ein paar geschriebene Briefe finden. Immer noch kommt es manchmal zu Problemen mit dem Verständnis, den QR-Code zu benutzen, um uns die eigene Adresse mitzuteilen. Wir überlegen, wie man die Anleitung, die auf dem Tisch liegt, noch klarer macht oder ob eine Person von uns anwesend sein sollte. Für nächste Woche sind neue Locations geplant und auch Cafes anzufragen, ob an einem ihrer Tisch “letter eXchange” stattfinden kann.
Was sonst noch passiert ist:
An einem Tag haben wir den öffentlichen Raum in Hamburg erkundet und von einer Tanzperformance inspirieren lassen. Wir sind auch ein bisschen im Fußballfieber und schauen abends zusammen die Spiele der EM. Außerdem haben wir unser Netzwerk in Lübeck erweitert dank eines Meetings mit den kulturfunken*, die uns wertvolle Adressen von Kunst und Presse geben konnten. Sowohl von Zeitungen, als auch Interessierten, die wir zu unseren Workshops einladen können. Und wir waren auf Location-Scouting Tour durch die Lübsche Innenstadt. Besonders das Übergangshaus hat uns interessiert. Leider war dort niemand vor Ort, den oder die wir ansprechen hätten können. Auch Informationen gab es leider nicht bis wenig. Trotz eines riesigen, offenen und durchdesignten Ortes im Herzen der Stadt wanderten wir wie vereinzelte Geister durch das ehemalige Kaufhaus.
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