Logbuch Woche 2
Montag, 7.10.
Unsere Lamellen sind heute dünnhäutig, die Myzelien verrüttet.
“Mögest Du dem Leib Gutes tun, damit eine Seele darin wohnen mag.” ließt Katze beim leidigen Jesus auf dem Weg zur Wohnung in der Gartenstraße.
Wir haben jetzt vier Fahrräder!
Dienstag, 8.10.
Die Lamellen wehen im Wind, wir sind flatterig.
Wir treffen uns am Nachmittag mit W. am Wald zum Sammeln essbarer Pilze. Wir lernen, dass jeder Pilz individuell ist, dass man Pilze am Besten schon im Wald mit einem Taschenmesser putzt und dass Lamellenpilze schwerer zu bestimmen sind als diese Schwammigen. W. sagt, er habe noch nie so interessierte Pilzsammler:innen erlebt. Es sei das erste mal, dass er sein Wissen so in Lehrform weitergibt. Als Grundschüler habe er das Sammeln von seinem Musiklehrer gelernt.
Mittwoch, 9.10.
Kattú braucht heute enge Spielregeln. Esther möchte messy werden und Spiele kombinieren.
Wir spielen 3 Runden Communual Epic Fiction mit allen Pilzrollen und Orten, die uns einfallen. Ein Fruchtkörper wird durch den Raum getragen, eine Impfstation stellt Impfstoffe aus Sporen her, der Forst wird überschwänglich und will das System regulieren, Judith Butler zieht Lehren aus dem Fruchtkörper, der zu stinken beginnt und trägt in ihrem Uterus eine Mensch-Stinkmorchel-Kreuzug aus. Die Geburt steht noch aus.
Am Abend gibt’s Pilzrisotto mit den gestern gesammelten Pilzen. Einige von uns haben mit der schmierigen Konsistenz der Pilze darin zu kämpfen: die Vergleiche gehen von Meeresfrüchten über Schnecken bis hin zu gegarten Auberginen.
Donnerstag, 10.10.
Wir fahren nach München und:
-kaufen bei Boesner und in Secondhandläden Material für Kostümexperimente
-treffen Manuela, unsere Mentorin. Wir spielen ein Spiel, das zusammen mit Chat GPT entstanden ist
-schauen “RADICAL CHEERLEADING” beim Rodeofestival und sind inspiriert.
Das Spiel, das wir spielen, hat Esther in einem 27 Seiten langen Gespräch mit Chat GPT entwickelt. Es geht ungefähr so: 4 Spieler*innen ziehen ihre Charakter-Karten und müssen mindestens drei von fünf patriarchale Zonen vom Patriarchat befreien. Dafür können sie pro Spielzug zwischen drei Handlungsoptionen wählen: sich fortbewegen, eine Symbiose eingehen oder ihre Superkraft einsetzten. Wenn jede*r Spieler*in am Zug war, ist das Patriarchat an der Reihe und stärkt seine Macht. Am Donnerstag gewinnen wir und das Patriarchat verliert.
Chat GPT imaginiert nach Esthers Prompt folgende Rollen und Fähigkeiten:
1. Hexe:
• Beschreibung: Die Hexe repräsentiert altes Wissen, spirituelle Kraft und Verbindung zur Natur. Sie kann Rituale durchführen, um die Kräfte der Pilze zu verstärken oder Patriarchatsstrukturen zu schwächen.
• Fähigkeit: „Ritual der Zersetzung“: In einer Region kann die Hexe patriarchale Strukturen schwächen, indem sie ein Ritual durchführt. Ein Ritual benötigt 1 Runde und schwächt die Macht des Patriarchats in dieser Region um 1 Punkt. „Hexenkreis“: Einmal pro Spiel kann die Hexe alle queerfeministischen Spieler*innen in eine Region teleportieren, um dort gemeinsam anzugreifen.
2. Cordyceps:
• Beschreibung: Cordyceps ist ein parasitärer Pilz, der die Kontrolle über patriarchale Figuren übernehmen kann. Cordyceps manipuliert die Feinde von innen heraus.
• Fähigkeit: „Parasitäre Übernahme“: Cordyceps kann die Kontrolle über eine patriarchale Rolle in einer Region übernehmen und sie für eine Runde blockieren oder sie zwingen, gegen das Patriarchat zu handeln. „Sporenstreuung“: Kann Sporen in einer Region verbreiten, die den Fortschritt der Pilzkolonie beschleunigen. Dies verstärkt den Pilzbefall in der Region um +1.
3. Mykorrhiza:
• Beschreibung: Mykorrhiza symbolisiert das unterirdische Netzwerk von Pilzen, das Pflanzen und Bäume miteinander verbindet. Mykorrhiza sorgt für die Kommunikation und Kooperation zwischen den queerfeministischen Spieler*innen und stärkt das Wachstum der Pilzkolonien.
• Fähigkeit: „Netzwerk des Widerstands“: Mykorrhiza kann Pilzkolonien in benachbarten Regionen verbinden. Dadurch können die Spieler*innen ihre Kräfte zwischen diesen Regionen teilen und die Macht des Patriarchats in mehreren Regionen gleichzeitig schwächen. „Nährstofffluss“: Mykorrhiza kann anderen Spieler*innen zusätzliche Aktionen gewähren, indem sie Energie aus einer benachbarten Region verschiebt.
4. Die Forst:
• Beschreibung: Die Forst ist die Wächterin des Waldes, der das Gleichgewicht zwischen Mensch, Natur und Pilz hält. Die Forst hat die Fähigkeit, die Umgebung zu manipulieren und das Patriarchat direkt zu bekämpfen.
• Fähigkeit: „Schutz des Waldes“: Die Forst kann eine Region vor Angriffen des Patriarchats schützen. Diese Region wird für eine Runde unzugänglich für patriarchale Aktionen. „Wilde Wurzeln“: Die Forst kann das Patriarchat in einer Region durch mächtige Naturkräfte angreifen und dabei einen Pilzmarker platzieren und eine patriarchale Struktur schwächen.
Freitag, 11.10.
Wir laden ein zu TORTE, TEE UND TOXISCHE BÜCHER. Dafür hat Kattú Flyer im Dorf aufgehangen: im Dorfladen, an der Litfaßsäule und in der Ärzt*innenpraxis. Der Tisch ist schön, geschmückt mit zwei prächtigen Kuchen. Karotte und Schoko. Es liegen Karten mit Fragen auf dem Holz des Tischs. Der Plan ist, Bücher mit toxischen Inhalten den Pilzen zum Futter zu geben, damit sie sie zersetzen. Wir haben 3 Pilzbags mitgebracht (Limonen-, Kastanien-, Rosenseitlinge). Es kommt eine Person: M, die wir schon kennen. M. fragt erstmal uns Fragen vom Tisch:
Mit welchem Pilz hattest du heute schon Kontakt? – Es war ein intimer Kontakt im Mund mit dem gemeinen Rotfußröhrling, schleimig. Zum Mittagessen (es gab den Rest Pilzrisotto). Die Gleichzeitigkeit von gut und ekelig. Darin sieht M. eine Parallele zum Pilz.
Mit wem bildest du temporäre Gemeinschaften? – Mit diesem Kollektiv, dieser Tischgesellschaft. Sind Freund*innenschaften und romantische Beziehungen temporäre Gemeinschaften? Eher nicht. Wobei: ein Ende ist immer gut. Und immer möglich.
Wie findest du die Vorstellung von einem Pilz zersetzt zu werden? – Geil. Also, wenn ich tot bin. Lebendig nicht, Scheidenpilz oder Fußpilz kann ich nicht gebrauchen. Aber eigentlich will ich verbrannt werden, wenn ich tot bin. Wir reden übers Sterben bzw. über das, was mit dem toten Körper passiert. Ist Verbrennen Energieverschwendung? Besser als als Sondermüll im Boden zu landen. Wegen all der Medikamente, mit denen man dann meist vollgepumpt ist. Aber was, wenn Pilze das Toxische abbauen? Was macht ökologisch Sinn? Die Natur findet eigentlich immer einen Weg. M. hat kein Buch dabei. Die Pilzbags bleiben vorerst geschlossen. Das war wohl ein Scheitern. Der Kuchen schmeckt köstlich. Wir sind erschöpft.
Am Wochenende werden die letzten Maronipilze, die wir gesammelt hatten, zu einer Suppe verarbeitet. Die Hoffnung ist, dass die schmierige Konsistenz dann nicht mehr so auffällt.
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