Logbuch Woche 4:
Montag, 21.10.2024
Wir verteilen wieder Hüte, das hatten wir in vorherigen Prozessen schon getan, aber in diesem Prozess schon wieder vergessen. Es gibt 4: Moderation, Zeitwächter*in, Crew Love und Dokumentation. In AGs träumen wir an Stationen herum, die der Pilz zersetzen könnte: Beichtkammer, Gewächshaus, Hexenküche, Kompost,…
Dienstag, 22.10.2024
Wir schreiben polyphon und am Ende stehen Aufforderungen: zum Beispiel: möchtest Du mit mir Diktatoren vergraben und Patriarchen aufessen?
Beim digitalen Treffen mit Katharina Pelosi vom feministischen Kollektiv “Swoosh Lieu” sprechen wir über kollektive Strukturen und stellen fest: Wir sind nicht allein mit den Herausforderungen, die diese Arbeitsform mit sich bringt. Rollenverteilungen, Bedürfnisse und Micromanagement – das Gespräch ein ermutigendes Vernetzungsmoment.
Am Abend gehen wir endlich wieder zu Ille in die Kneipe. Essen Pizza, vegetarische Schnitzel und Ofenkäse. Haben großen Spaß daran einige Runden The Game zu spielen: ein kollaboratives Spiel, in dem wir Zahlen zwischen 1 und 100 in richtiger Reihenfolge ablegen müssen, ohne uns abzusprechen. Zum Schluss gibt es kroatischen Schnaps vom Wirt.
Mittwoch, 23.10.2024
Reta und Kattu haben gepuzzelt und Orte, Patriarchatsinterventionen und Rollen als Hosts für Stationen zusammen gebracht.
Mark Zuckerberg haust in der Beichtkammer, der Igelstachelbart auf dem Komposthaufen, Ursula K. Le Guin und die Percht treffen sich im Bürgerstüble zum Hexenstammtisch und Myzelia lebt im Gewächshaus und bringt uns über Fadenspiele die Kunst der Fürsorge näher. Myzelia trägt einen riesigen Hut aus Hasendraht und entwirrten Badeschwämmen, die zu langen Hyphen werden.
Wir machen ein Krimidinner mit 3 Gängen, wobei wir merken, dass es gar kein Dinner für das Krimi bräuchte. Es geht um Umweltaktivist*innen im Wald. Manche Charaktere haben mehr Ticks und Regiebeschreibungen, als andere. Körperliche und räumliche Beschreibungen helfen immens, um die Rolle zu füllen. Es geht sehr lang, weil Logik nicht unsere größte Stärke ist.
Donnerstag, 24.10.2024
Der Pilz beginnt weich und schwammig zu werden. Er sport kurz bevor der Zyklus sich dem Ende annähert.
Freitag 25.10.2024
Wir zünden eine Kerze an und sprechen über unsere Omas: Bilder von Bergen von Apfelschalen und Zeitungsseiten, Ritualfragen à la “reichen die Kartoffeln oder soll ich schnell noch welche kochen?” tauchen auf. Switch zur Orga: wir wälzen Gedanken zur Tagesstruktur und schärfen Bewegungsmaterial. Wir freuen uns über die Ermunterungen aus dem PDF zum makingOFF.
Samstag, 26.10.24
Heute ist das Making Off. Wir treffen uns schon früher, um Texte zu besprechen, die sich noch ganz roh anfühlen, weil sie gestern und heute erst entstanden sind, dennoch wird dadurch das ganze Setting schärfer und zügiger. Dann machen wir den Schritt die Texte nach dem dritten mal Durchlesen wieder beiseite zu legen für das Making Off, damit die Worte wieder lebendig werden.
Am Nachmittag nehmen wir uns nochmal Zeit für einen Ponyhof: jede Person hat 5 Minuten Zeit und wünscht sich etwas von den anderen. Dabei entsteht wieder Ruhe und Verbindung zwischen uns. Die Vorbereitungsphase nimmt viel Konzentrationskraft von uns in Anspruch.
Am Abend ziehen wir uns wieder in unseren Backstage/Keller zurück. Lassen Noga Erez über die Handylautsprecher laufen und geben uns einen Dancefloor.
Beim Making Off zeigen wir 3 Ausschnitte aus unserer Arbeit. Für jeden Ausschnitt darf das Publikum den Ort wechseln: von der Bühne hinunter in die Hexenküche und weiter auf den Kompost im Zuschauer*innenraum. Wir laden zu Partizipation ein: das Publikum singt ein Lied aus der Waldpädagogik, spielt Fadenspiele, die Weitergegeben werden, spielt eine Abwandlung von Schnick-schnak-schnuck: Shi-ta-ke, bekommt Zucker von Felix als Belohnung, klebt Hyphen auf den Bühnenboden, um ein sichtbares Myzel entstehen zu sehen, beantwortet ein unbeantwortbares Quiz, bildet einen Verbindungschor, trinkt Ginger-bier und schreibt unliebsame Körperteile auf, um sie dann zu Liebesbriefen zu kompostieren.
Wir hosten das große Spiel und die Spiele im Spiel auf spielerische Art: in einem ersten Bewegungspart werden wir gemeinsam zu Mycelium und lassen von dort Worte entspringen, wir schlüpfen in Rollen von Mycelia (eine Spielleitungsfigur mit großem Hut aus langen Schlingen), Mark Zuckerberg (Gründer von Meta, die zuletzt mit dem Meta-Theater in Konflikt standen), der Percht (bayrische, mystische, hexische Figur) und den Igelstachelbart (ein Zersetzerpilz).
Zwischendurch versagt die Musik, wir improvisieren hindurch. Nach jeder Station gehen wir in den Austausch mit dem Publikum. Ein größtenteils sehr interessiertes Publikum, generationsgemischt und mit unterschiedlichen Zugängen. Wir reden nach dem Showing noch eine ganze Weile mit unterschiedlichsten Menschen, die gekommen waren.
Zurück bleibt ein sehr hoffnungsvolles Gefühl: über den Pilz und die Percht gab es viele Anknüpfungspunkte für die Menschen aus der Umgebung. Wir sind gerührt.
Montag, 28.10.24
Unser letzter Moment, um das Showing und die 4 Wochen noch einmal sacken zu lassen. Wir teilen unsere Empfindungen zu dem Prozess, schauen uns an, welche Rollen wir einnehmen und welche Phantasien übereinander und über uns selbst darüber entstanden sind. Wir träumen darüber hinaus über das, was hieraus entstehen könnte: ein Hörstück, ein Musiktheater, ein immersives Pilzspiel, ein Bühnenbild.
Das war unsere Reise durch den Pilz und seine langsam-zersetzenden Fähigkeiten. Wir arbeiten seit 2022 an diesem Thema und anders als andere Themen braucht dieser Pilz sehr viel Zeit.
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