Das Projekt„WIRFAL_LEN“ widmet sich den Leerstellen, Lücken und Fallstricken der hegemonialen Erzählung der deutschen Wiedervereinigung. In Kooperation mit dem Denk- und Produktionsort Libken e.V., eine Künstlerinnenresidenz in einem ehemaligen Wohnhaus für Arbeiterinnen der lokalen LPG, werden die beiden Künstler*innen ausgehend von ihren individuellen Forschungsarbeiten im Verlauf von vier einwöchigen Aufenthalten in Libken ein Erzählcafé konzipieren und eröffnen. Im Rahmen dieses Cafés, das zugleich physischer Ort und Rechercheformat ist, werden sie genderspezifische Aspekte (pOst)deutscher Geschichte, weibliche und männliche Rollenbilder und Sozialisationserfahrungen generationsübergreifend untersuchen. Das Erzählcafé ist eine Begegnungs- und Rechercheplattform und bietet in ihrer Forschungsarbeit die Möglichkeit, einen Mehrgenerationen-Multilog zu initiieren, der die Vielschichtigkeit und Komplexität von Ostdeutschland als Transformationsgesellschaft beleuchtet. Indem sie einen physischen Raum des Austauschs schaffen, um ostdeutsche Perspektiven – aus ihren Familien, deren sozialen Umfeldern, und der breiteren regionalen Umgebung – hörbar und sichtbar zu machen, wollen die beiden gängige Stereotype und Zuschreibungen hinterfragen und für sich, als auch für die Teilnehmenden des Erzählcafés einen Ort des Empowerments an der Schnittstelle zwischen Partizipation, Recherche und künstlerischer Produktion kreieren.
Das Sofa ist ein Ort, der Entspannung, Sicherheit und Komfort verspricht. Es ist der Ort, an dem Nachrichten konsumiert werden. Die berichteten Probleme sind groß, komplex und global. Sie zu lösen, scheint nie einfach und oft genug unmöglich. Die „schlechten“ Nachrichten dringen in den Alltag, bis auf das Sofa ein, und können nicht wie Müll einfach in die Tonne geworfen werden. Das Sofa ist also ein bequemer Ort, an dem wir unbequeme Gefühle haben. Wie geht Sich-Wohlfühlen angesichts der Weltlage? Mit diesem scheinbaren Wiederspruch setzt sich die Gruppe künstlerisch auseinander. Welches Bewegungsmaterial lässt sich aus dieser Situation entwickeln? Wie wird Tanz aus dem auf-dem-Sofa-liegen? Kann man den Gefühlen von Trauer, Angst, Betroffenheit, Überforderung, Wut und Empörung, die die Nachrichten auslösen, in Choreografien eine Konzentration geben, in der sie bearbeitbar und reflektierbar werden?
Krieg ist momentan wieder allgegenwärtig. Nicht nur in den Konflikten selbst, sondern auch in der Darstellung und im Erleben vieler Menschen, auch hier in Deutschland. Geräusche wie Detonationen, Schreie, Schlachtrufe, Sirenen oder Stille prägen die Vorstellungen, (traumatischen) Erfahrungen und (kollektiven) Erinnerungen. Machen den Krieg zu einer brutalen Extremerfahrung. Wirken auch in »heilen Welten« fort. Aber wie klingt Krieg? Im Rahmen der flausen+ Residenz am LOFFT – DAS THEATER wollen, Clara Minckwitz und Julia Lehmann von STUDIO URBANISTAN, die klangliche Dimension des Krieges, die sogenannte Belliphonie, erforschen. Dabei interessiert sie nicht nur die Art der Geräusche moderner Kriege, sondern insbesondere, wie sich Geräusche in die körperliche Erfahrung und in Gesellschaften einschreiben. Um uns diesen Themen anzunähern, setzen wir uns mit den Soundscapes der heutigen Kriege, Waffensysteme und Militärapparate auseinander und schauen uns die Akustik des Krieges in der Darstellung und Kunst an. Im Gespräch mit Reporter:innen, Soldat:innen oder Zivilist:innen wollen wir zudem herausfinden, welche Geräusche erinnert werden und wie die/der Einzelne reagiert(e), welche Geräusche im friedlichen Alltag Erinnerungen hochholen oder welche Geräusche gesamtgesellschaftlich erinnert oder zur Erinnerung politisch genutzt werden.
Nicht nur die Landtagswahlen 2023 in Thüringen und Sachsen zeigen, wie sehr das rechte Spektrum in den vergangenen Jahren im Osten Deutschlands und besonders im ländlichen Raum an Umfang und Einfluss gewonnen hat. Auch abseits der politischen Bühne ist dort eine Vielzahl neurechter Bewegungen wie etwa das „Königreich Deutschland“ oder die Anastasia-Bewegung aktiv. Vor diesem Hintergrund will das Projekt untersuchen, wie sich das rechte Spektrum speziell im Osten Deutschlands zusammensetzt, warum gerade der ländliche Raum anfällig ist und wie die darstellenden Künste dem begegnen können.
Schon länger setzt sich jede der beiden Künstlerinnen mit dem Kubus als Objekt auf der Bühne und in Installationen im Stadtraum auseinander.Einige ihrer Arbeiten widmeten sich künstlerischen Interpretationen vergangener und gegenwärtiger Gewaltherrschaft und staatlicher Willkür: Die temporäre Installation “WOYZECK-letzte Szene” auf dem Leipziger Marktplatz im Jahr 2017 in Form eines Kubus entsprach dem Schafott, auf dem Christian Woyzeck am 27. August 1824 enthauptet wurde. Im Jahr 2020 hat die Installation “ Silivri. Prison of Thought” von Can Dündar und Shahrzad Rahmani am Maxim Gorki Theater Berlin die Thematik aufgegriffen und sichtbar gemacht. Sie widmen sich heute, 200 Jahre nach der letzten öffentlichen Hinrichtung auf dem Leipziger Markt, mit VOICES OF RESISTANCE dem Schicksal zu Unrecht inhaftierter Menschen und legen ihren Fokus besonders auf Schicksale von Aktivistinnen. Briefe,Texte und andere Zeugnisse gefangener Frauen aus Belarus, dem Iran, der Türkei, aber auch der ehemaligen DDR sowie Interviews, mit Betroffenen und Autorinnen generieren Material für das Konzept eines interaktiven Raums für Erinnerung und Begegnung, der den Kubus von 2017 mit dem Heute verknüpft: Die Zelle verweist auf mehr als das individuelle Schicksal der Insassen. Sie konfrontiert die Besucher*innen mit einer politischen Realität, in der Menschen für ihre Arbeit, für ihre Kunst, ihre Worte, ihr Denken verhaftet werden. Die Gefahr, von einer Einzelhaft bei der Todesstrafe anzukommen ist sehr groß.
In einer interdisziplinären Recherche setzen sich die zwei Künstlerduos, Amit Abend & Thomas Bewernick und Jule Rottluff & Benjamin Rottluff, mit dem Konzept der Vergebung auseinander. Seit jeher sind Konflikte in verschiedensten Formen und Ausprägungen Teil unserer Lebenswelt. Mal sind wir verärgert über ein Geschehnis, mal schieben wir die Schuld den anderen oder uns selbst zu. Und manchmal entscheiden Machthabende, dass ein Krieg unausweichlich ist. Genau wie ein Konflikt kann auch Vergebung auf der interpersonellen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Ebene geschehen. Doch inwieweit eignet sich Vergebung zur Lösung von Konflikten? Was braucht es überhaupt, um vergeben zu können? Finden sich historische Vorbilder oder welche aus anderen Kulturen für eine Form von Vergebung, welche sich in die jetzige Moderne übertragen und anwenden ließe? Davon ausgehend, dass Tanz und Musik gleichermaßen eine Wirkung auf den Menschen haben und Gefühle und Stimmungen kanalisieren helfen, möchten sie, in Ergänzung zu der eher theoretischen Recherche, in einer künstlerischen Auseinandersetzung miteinander erforschen, welche Wirkungen spezifische Techniken haben. Dabei setzen sie voraus, dass zur Vergebung die innere Bereitschaft zu Öffnung und Empathie gegeben sein muss. Bewegung und Klang könnten hier ansetzen, um Menschen zu mehr Vergebungsbereitschaft zu leiten.
Inhalt ihrer Residenz ist es, ein Konzept für eine Lecture Performance zum Thema Wasser für Zuschauende ab 14 Jahren zu entwickeln. Wasser steht im Zentrum ökologischer Krisen und weltweit herrschender Konflikte. Es kann aber auch dazu beitragen, globalen Herausforderungen, wie den Auswirkungen der Klimakrise, zu begegnen, wenn wir unsere Beziehung dazu und unseren Umgang damit verändern. Ausgehend von Material ihres flausen+ 2erStipendiums 2023 wollen sie in drei Phasen drei Aspekte der ersten Forschung vertiefen und verdichten: 1. Wissen über Wasser – Informationen über Verhalten und Fähigkeiten von Wasser, physikalische Eigenschaften, Fakten und Zahlen über Nutzung, Vorkommen und Verteilung. 2. Ihre Beziehung zum Wasser – Unser Umgang mit Wasser und unsere biographisch und kulturell gewachsene Beziehung. 3. Wasser und Macht – Globale Zusammenhänge und geopolitische Dimensionen, das Wasser als wichtigste Ressource für nachhaltige Zukunftsgestaltung. Die gesammelten Informationen und Gedankenimpulse übersetzen sie in Texte, choreografische Momente und performative Vorgänge auf der Bühne. Für die Konzeption begleiten sie grundlegende Fragen wie u.a.: Was heißt es, Wasser in seinen Eigenschaften und Fähigkeiten ernst zu nehmen? Wie können wir nachhaltig arbeiten? Wie gehen sie mit ihren eigenen Privilegien in Bezug auf das Thema und Material um? Ihr Ziel ist es, ein Konzept zu entwickeln, dass das Publikum mit einem nachhaltigen Gedanken entlässt.
Neben einer Stange Brautkleider stapeln sich in einem Fundus Tierköpfe aus Schaumstoff, ein kunstblutbespritzter Anzug hängt zwischen barockem Frack und neongrünem Bondagegeschirr. Solche Objekte sind nicht nur Vermittler einer flüchtigen Freie-Szene Geschichte, sondern sind materielle Ausgangspunkte für neues kreatives Schaffen. Heute wird die Wiedereinspeisung von Material als besonders ressourcenschonend wiederentdeckt und die Arbeit mit dem Fundus gewinnt an neuer Bedeutung. Für die meisten Bühnen- und Kostümbildner*innen ist der Gedanke aber noch neu, dass nicht immer alles neu sein muss, und birgt Herausforderungen. Sie werden mit dem Verständnis ausgebildet, ohne Einschränkungen künstlerische Ideen zu entwickeln. Hartnäckig halten sich obendrein Vorurteile gegen die Arbeit mit dem Fundus. Im Rahmen der Residenz bewohnen 5 Künstlerinnen den Dachboden-Fundus des Jahrmarkttheaters. Was ist nachhaltige Ästhetik? Wie können zukünftig Entwurfsprozesse ablaufen, wenn wir vom Material zur Idee denken und nicht von der Idee zum Material? Was tun mit “Fundushütern”, die das Lager verstopfen? Warum ist ein Fundus kein öffentlicher Ort? Diesen Fragen begegnet die Gruppe theoretisch und künstlerisch-praktisch im Austausch mit Anja Imig, Co-Leiterin, Bühnenbildnerin und Fundusverwalterin im Jahrmarkttheater. Die Residenz dient dem Ermitteln und Vertiefen heterogener Perspektiven auf das Arbeiten mit sowie dem gemeinsamen Finden neuer künstlerischer Zugänge zum Ort Fundus
In ihrer Residenz wollen sie sich mehrdimensional mit dem Phänomen und dem Motiv der Veränderung auseinandersetzen. Als Grundlage ihrer Forschungen dient ihnen Angela Carters Märchensammlung “The Bloody Chamber” von 1979. Fragen, die sie dabei antreiben, sind etwa: Wie kann eine Fiktion die Realität selbst verändern? Verändert sie uns? Ist es denkbar, dass sie gar nichts verändert? Und wie können wir als Künstler:innen Dinge anders angehen als gewohnt, um zu neuen Formen finden? Was verändert sich für uns, wenn wir keinen Produktionsdruck haben?
Die Residenz dient der Gruppe zu recherchieren und eine erste Konzeption für eine zukünftige Performance für Kinder ab 2 Jahren zu dem Thema Farben und Emotionen zu erarbeiten. Welche Vision haben sie für die Performance? Es werden verschiedene künstlerische Ausdrucksformen untersucht und sich die Frage gestellt, welche Kreativen Ansätze können genutzt werden, um Emotionen und Farben auf vielfältige Weise darzustellen. Dabei interessiert sie in erster Linie der Tanz und die Bewegung. Die Residenz soll auch dazu dienen verschiedene künstlerische Ausdrucksformen zu untersuchen. Inhaltlich beschäftigen sie sich mit Untersuchungen, wie Farben die Emotionen und das Verhalten von Kindern beeinflussen können. Wie werden diese Emotionen verarbeitet aber auch bzw. insbesondere unsere eigenen Erfahrungen und persönliche Geschichten und Verbindungen zu Farben sind Teil der Arbeit. Im Allgemeinen signalisiert Rot Stärke, Blau Ausgeglichenheit, Gelb vermittelt Freude. Es gibt es bei solchen Deutungen auch kulturelle und individuelle Unterschiede und so können subjektive Assoziationen einer Farbe von der allgemeinen Deutung abweichen. Wie können diese Erkenntnisse in unserer zukünftigen Performance genutzt werden? Welche Bewegungsübersetzung können sie für die Verbindung von Farben und Emotionen finden. Wie übersetzt sich eine Emotion in Bewegung und Körperhaltung? Sie passen die Inhalte und Darstellungsformen der kognitiven und emotionalen Entwicklung der Altersgruppe an.